Zehnte Szene


[345] Zar Peter. Menzikof.


PETER.

Wer sind die Hochverräter?

MENZIKOF ein Papier hervorziehend.

Das Verzeichnis

Nennt Eurer Majestät die Feinde.

PETER.

Gib.


Er geht mit dem Papiere zum Feuer.


Bei diesem trüben Schein will ich das Werk

Der Finsternis betrachten. –

Viele Namen!

»Glebof, Eudoxia, Lapuchin, Dosithei«,

Die kenn' ich freilich. »Dolgoruki«? Schade!

Ein guter Name. »Kikin«. – Kikin? Welcher

Von beiden ist's?

MENZIKOF.

Der Alexander Kikin.

PETER.

Dem schenkt' ich einst das Leben, als er mir,

Dem Schlummernden, mit Mörderhand genaht.

Er drückte auf mich ab, und es versagte;

Zu Füßen sank er mir, und zitternd rief er:

»Ich bin von Gott gesendet, dir zu melden,

Daß keine Bosheit dich zerstören kann;

Nimm hin mein Haupt, es ist an dir verwirkt.«

Und ich versetzte drauf: »Gesandte sind straflos,

Der Gott, dem ich vertrau', vergebe dir!«

Und jetzo wieder? Gut, sein Wort von damals

Soll gelten.[346]

MENZIKOF.

Er entfloh, und Dosithei,

Der Erzbischof. Doch weiß ich den Versteck.

PETER.

Man wird sie holen.

MENZIKOF.

Ist bereits geschehn.

PETER.

Sie alle müssen fallen diese Nacht.

Du wirst das einzurichten wissen.

MENZIKOF.

Ja.

PETER wieder lesend.

Noch immer Namen?


Er nimmt eine Kohle auf.


Du! Was halt' ich hier?

MENZIKOF.

Ne Kohle, die erloschen ist.

PETER.

So lischt

Dein Leben, Menzikof, ertapp' ich dich auf Trug!

Denk dran, du hast nichts Böses je getan,

Das ich nicht gleich erfahren hätt'. – Herr Fürst,

Ist diese Liste richtig?

MENZIKOF.

Ja, beim Himmel!

Ich lüge diesmal nicht.

PETER.

Sehr wohl gesprochen.

So glaub' ich diesmal dir. –[347]

Fürst Menzikof:

Der Zarewitsch fehlt noch in dem Verzeichnis.

MENZIKOF.

Er ist dein Sohn.

PETER.

Das spricht die Schlauheit, nicht

Ein menschliches Gefühl. Ging' es nach dir,

Läg' er erschossen.


Menzikof erschrickt.


Fürchte nichts. Es wär'

Vielleicht so besser, und erspart wär' uns,

Was aussieht wie Verlegenheit. Gib mir

Den Bleistift!


Menzikof reicht ihm das Verlangte.


So: Alexis Petrowitsch.

Du bist ein Name, gleich den andern. Jetzt

Ist das Verzeichnis fertig. Nun zu Roß.


Beide ab.


Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 4, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 345-348.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Alexis
Alexis: Eine Trilogie Von Karl Immermann . (German Edition)

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon