Viertes Blatt

[263] Den zwölften Juli: Heut meinen Entschluß gefaßt nach langem Kampf. Mich risalfiert, Rieken ewig zu lieben und das Fräulein zu heiraten, wofern mir mei' fernere gute Verköstigung zugesagt wird.

Alle Andenken verbrannt von Rieken, um nicht wieder Kampf zu leiden.

Dennoch äußerst viel Furcht gehabt vor dem alten Baron, von wegen zum Hausnausschmeißens, wenn's 'rauskommt.

Vier Stüber vom Fräulein geschenkt gekriegt, um mir ein' Erholung zu machen.


*


Angespielt heute von ferne auf fernerweite gute Verköstigung, wofern geheiratet werden soll. Mißverstanden geworden. Mich entschlossen, nächstes Mal mich deutlicher zu machen.
[263]

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Den vierzehnten Juli: Künftigem Schwiegervatern heute vor Pläsier die Stiefeln ausgezogen. Ihn dabei bedeutsam angeblickt, um die Entdeckung vorzuspielen. Auch nicht verstanden worden. Nachgerade bänglicht.

Gar keine Lust mehr zum Dienen bei Münchhausen. Gar zu viel gewißt von seinen Geheimnissen und seit jeher keinen rechten Respekt nicht vor einem chemisch-präparierten Menschen gehabt. Durch die neue Lieb' vollends ganz stolz geworden. Mich erniedrigt gefühlt durch die einförmigen Rockausklopfereien und sonstigen Amtsverrichtungen. Will Fürst von Hechelkram werden, wann's nicht anders ist und das Fräulein darauf besteht. Soll mir sagen, wo's Fürstentum liegt, damit ich drum einkommen kann.


*


Am selbigen Tag, nachts: Mein Herr von Münchhausen heute abermals seine Schmierereien vorgenommen und mir dadurch ganz widerwärtig geworden. Mir vorgenommen, bei erster Gelegenheit grob zu werden, um auf eine feine Manier aus dieser Sklaverei zu kommen.

Gefällt mir jetzt recht wohl hier. Übrigens doch eigne Lag', und weiß der Schinder, was draus werden soll.


In ein so wunderbares Verhältnis war Fräulein Emerentia mit ihren Gedanken, Träumen und Empfindungen geraten. Man kann sich daher vorstellen, wie es ihr Bewußtsein verletzen mußte, als der Vater die Besorgnis vor einer Mariage zwischen ihr und Münchhausen äußerte.

Übrigens wußte sie kaum noch, ob sie auf der Erde wandelte. Sie dachte und sah nur den Prätendenten von Hechelkram, den Altar der Freundschaft und das ihr winkende Stiftskreuz. Der kleine Haushalt litt freilich sehr unter dieser glücklichen Entwirrung schwieriger Verhältnisse. Auf die Suppe mußte nach und nach ganz verzichtet werden, da sie niemals zu genießen stand, oder der Schulmeister hatte mit seiner schwarzen auszuhelfen. Alles Fleisch aber stahl regelmäßig die Katze, weil der maskierte Fürst unersättlich war. Der alte Baron wünschte[264] sich hundertmal des Tages über verdrießlich seine Lisbeth zurück. Wo er die Katze, die vermeintliche Räuberin der Speisen sah, schlug er nach ihr; ach, er wußte nicht, daß Karlos der Schmetterling die Schlange war, die er am Busen nährte. Nannte nun gar seine Tochter diesen Namen (und sie nannte seit der großen Entdeckung Buttervogeln nie anders) so wollte er, nachdem er einige Male über den blühenden Tropus gelacht hatte, schier verzweifeln, denn er begann zu fürchten, daß sein armes Kind sich mit starken Schritten einer unglückseligen Verwandlung nahe.

Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 3, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 263-265.
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