XIV

[99] Und eines Tages standen sie im Hof mit dem rinnenden Brunnen, mit der großen Kastanie, unter deren Zweigen sie ihre ersten Kindertänze aufgeführt.

»Hierher verfolgte ich mein barfüßig Prinzeßlein. Du warst so stolz und so hinreißend arm. Man errötete vor dir. Und jetzt errötet man wieder vor dir, weil du so reich bist.«

»Bin ich es wirklich?«

Er kniete vor ihr hin. Vor allen Vögeln, die unter den rosenroten Kastanienblüten sich küßten, vor der Sonne, die ihre goldnen Arme nach der Erde ausstreckte.

»Marie Therese, ich war schwach, und du hast mich stark gemacht. Ich zweifelte, und du hast mir den Glauben an den Gottmenschen wieder[99] gegeben. Ich war Leibeigener des Todes, und du hast mir an deiner jungen, reinen Brust die Quellen des Lebens erschlossen. Ich hungerte grenzenlos, und du hast grenzenlose Fülle mir geschenkt. Segen über deinen seligen Leib, über deine selige Seele!«[100]

Quelle:
Maria Janitschek: Frauenkraft. Berlin 1900, S. 99-101.
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