Elfte Szene.

[53] CHRISTOPH allein. Die große Wohltätigkeit meines Herrn tut mir nicht sehr wohl; – ich werd' auf diese Art den ganzen Tag Bettelvogt sein müssen; – es geniert mich bedeutend. – Aber kann ichs ändern? Ein Mensch in so subordinierter[53] Stellung, wie ich, kommt überhaupt in tausend Gelegenheiten, wo er sich gern eine Änderung ausbitten möchte – aber – es bleibt doch alles beim alten.


Couplet.


1.

Statt daß man den Kindern das Deutsche gut lehrt,

Krieg'n sie in der Wieg'n schon d' französ'sche Grammaire,

Und jetzt g'hört das Englische auch zum bon ton,

D' Mama lernt's und z'gleich ihr zweijähriger Sohn,

Der tut sich mit »Yes« und »Good morning« schon plag'n,

Doch auf deutsch kann er nicht »liebe Mutter« noch sag'n,

Hätt' ich so ein' englische Närrin im Haus,

Da bittet ich höflichst eine Änderung mir aus.


2.

Vereine hab'n's Tierreich jetzt sicher gestellt,

Daß kein Tier wie ehmals wird nutzlos gequält –

Doch sieht man, wie d' Menschen sich gegenseitig quäl'n,

Da ließ sich noch mancher Verein zusamm'stell'n;

Betracht't man die Wuch'rer mit hundert Prozent –

Die noch schlechter die wuchern mit fremdem Talent

Und den Leuten die Seel' aus dem Leib zieh'n heraus,

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.
[54]

3.

Betracht't man jetzt Werke der Architektur,

Vom Stil edler Einfachheit gar keine Spur;

Da schnörkeln s' herum, patzen ein Ornament

Auf's and're, daß man sich fast nimmer auskennt.

Und griechische Säul'n, got'sche Fenster hernach,

Und dann als Hauptzier ein windschelches Dach;

Wenn ich da was d'rein z'reden hätt' bei so einem Haus,

Ich bittet mir höflichst ein' Änderung da aus.


4.

Sitzt man im Waggon auf der Eisenbahn drin

Und 's Lokomotiv keucht so langsam dahin,

Kaum kommt es in Lauf und man denkt: na jetzt geht's,

Da ist a Station wieder – und darum schon steht's;

Hier füllt man bedächtig frisch' Wasser erst ein

Und dort steigen biergefüllt Menschen hinein –

Es lacht so ein'n Train jeder Zeiselwag'n aus,

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.


5.

Es wird eine Vorstellung wo annonciert,

Da heißt's: es sind Logen und Plätz' pränum'riert;

Man bitt't den Verkäufer: ach nur einen Sitz –

»Unmöglich!« schreit der – und kommt völlig in d' Hitz –

»Und wenn Sie mein Bruder wär'n – 's ist nichts mehr da!«

Darauf zeigt man ein'n Taler – da sagt er: »Na ja –

Weil Sie's sein – so suchen Sie sich halt was aus!« –

Jetzt da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.
[55]

Repetition:


Es sind für Fiaker jetzt Taxen bestimmt,

Daß keiner im Fordern sich stark übernimmt,

Doch kommt man im Regen beim Theater heraus

Und sagt zum Fiaker: »Führ' um d' Tax' mich nach Haus!«

Da schaut er ein'm an, über d' Achsel so nur

Und sagt ganz verächtlich: »Ich hab' schon a Fuhr!«

Was nutzt da die Tax', man richt't nichts damit aus,

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.


Von ein'm fremden Theater kommt ein Mitglied daher,

Der Direktor führt höflich ihn frei ins Parterre –

Dort stellt er sich auffallend vorne gleich hin,

All's, was er da singen hört, ist z'schlecht für ihn:

»Hier kann man kein' Oper hör'n,« sagt er ganz laut;

»Das ist ganz was anders, bei uns dort ang'schaut!« –

Nimmt ein Freibillet sich so a Freiheit heraus,

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.


Wenn man sein Kaffee z' trinken ins Kaffeehaus geht,

So möcht' man doch wissen, was in d' Zeitungen steht –

Doch da sitzt oft einer, der nie was verzehrt,

Doch alle Journale für sich gleich begehrt –

Zwei hält er in der Hand – unter jed'n Arm drei,

Und buchstabiert so, daß gar keine wird frei,

Und um gar kein' Preis laßt er eine Zeitung da aus –

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.
[56]

Man geht in ein Gasthaus, da geht's recht nett her,

A recht hübsche G'sellschaft, daß all's z'frieden wär',

Der Wirt ein charmanter, gesprächiger Mann,

Den Gentlmen sieht man von weitem ihm an.

Doch wie es am Abend geht, so geg'n elf Uhr,

Da kommt mit dem Besen dem Kellner sein Bua

Und kehrt mit dem Staub auch die Gäst' fast hinaus,

Da bitt' ich mir höflichst eine Änderung aus.


Ab.

Verwandlung.

Ein anderes, ebenfalls sehr elegant eingerichtetes Gemach im Palais.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 53-57.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon