4. Ein Lied von dem himlischen Pelican/ Jesu Christo

[280] Im Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc.


1.

Entbrenne du mein gantzes Ich/

Was in mir ist/ ermuntre sich/[280]

Vnd dichte feine Weisen:

Den Pelican/ der sich zerritzt/

Der seine Brut mit Blut besprützt/

Soll meine Zunge preisen.

Auff! Auff!

Eil! lauff!

Ich will leiten

Reine Säiten/

Sonder Zwingen:

Gott und Gottes Lob besingen.


2.

Im Fall die Mutter nicht zu Hauß/

Vnd etwan ist geflogen auß/

Zu speisen jhre Jungen/

Sticht die trugvolle Schlangenzucht

Deß frommen Pelicanens Frucht

Mit gifftgefülter Zungen/

Zischet/

Gischet/

Was da lebet/

Lebt und Webet

ümbzubringen;

Gott ich will dein Lob besingen.[281]


3.

So/ wann der alte Schuppenfeind

Am Häubte nichts zu schaffen meint/

Wagt er mit tausend Listen/

Sich an die Glieder groß und klein/

An Adam/ Even ins gemein

An alle fromme Christen/

Brennet/

Rennet/

Laufft und eifert/

Speit und geifert/

Zu verschlingen/

Die/ mein Gott/ dein Lob besingen.


4.

Die Mutter/ die sich hat verweilt

Vnd eilend wider Heimwarts eilt/

Die komt/ und muß erbleichen/

Die Frucht/ die sie kaum außgeheckt/

Die hat der grimme Todt gestreckt/

Das Nest ligt voller Leichen;

Sie zagt/

Sie klagt/

Klagt und wümmert/

Sich bekümmert/[282]

Ob den Dingen/

Gott/ ich will dein Lob besingen.


5.

Nach dreyer Tagen Trawerzeit

Legt sie hinweg das schwartze Kleid/

Vnd sich nicht ferner quälet/

Zerhacket jhre zarte Brust

Auß welcher quilt der Lebensmust/

Der jhre Frucht beseelet/

Reget/

Weget/

Hebt die Flügel/

üm die Hügel

Sich zu schwingen:

Gott ich muß dein Lob besingen.


6.

So hat/ der nichts als böses stifft/

Der Teuffel alle Welt vergifft/

Geführet ins Verderben/

Wir solten in der Höllenpein.

Verdamte Höllebränder seyn/

Zwar sterben/ doch nicht sterben;

Sitzen/

Schwitzen[283]

Ob den Thaten/

Teuffelsbraten

Vns vmbringen:

Gott ich will dein Lob besingen.


7.

Wenn Christus nicht das höchste Gut/

Mit seinem Rosenfarbnen Blut/

Das unsre Sünde wäschet/

Deß Teuffels Zorn und Vbermut/

Der Höllen Pech und Schwefelglut

Am dritten Tag geleschet/

Mächtig

Prächtig

Ihn gebunden

Vberwunden

In dem Ringen.

Gott mein Geist soll dich besingen.


8.

Er/ Er der trawte Pelican

Der nam sich unser trewlich an/

Die heiligen fünff Brunnen/

Gegraben an deß Creutzes Stamm/

Auß welchem vns das Leben kam/

Durch sein Blut hergerunnen/[284]

Regnen/

Segnen/

Sündvergeben:

Heil und Leben!

Ich muß springen:

Gott und Gottes Güte singen.


9.

Vnd wie wann nun der Pelican

Für Schwachheit nicht mehr fliegen kan/

Vnd muß ermattet krancken/

So machen sich die Kinder auß/

Versorgen Eltern/ Kind und Hauß/

Vor Leib und Leben dancken/

Jagen/

Tragen

Muscheln/ Fische

Zu dem Tische

Häuffig bringen.

Gott mein Geist soll dich besingen.


10.

So ist mein Gott mein Hertz bereit

Auff Psalterspielen allezeit/

Mein Ehre dich verehret/

Daß du mich auß der Nächte Nacht/[285]

Gesund ans liechte Liecht gebracht/

Von Wiegen an ernehret/

Dein Blut/

Mein Gut/

Das mich tauffet/

Tewr erkauffet/

Muß erklingen:

Gottes Gut und Blut besingen.


11.

Hab danck! hab danck! mein Pelican!

Ich geb dir wider/ was ich kan/

Mein Leib/ mein Seel/ mein Leben/

Vnd wann es einsten dir gefält/

So führ mich auß der Threnen Welt

Hin/ wo die Engel schweben/

Laß mich

Selig

Zu dir kommen/

Mit den Frommen

Vmb dich springen

Gott dich ewig zu besingen.

Quelle:
Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften, Tübingen 1968, S. 280-286.
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Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften

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