Fünfte Szene

[388] Jupiter. Die Vorigen.


JUPITER.

Welch ein Geräusch zwingt mich, herabzusteigen?

Wer klopft ans Haus? Seid ihr es, meine Feldherrn?

AMPHITRYON.

Wer bist du? Ihr allmächt'gen Götter!

ZWEITER FELDHERR.

Was seh ich? Himmel! Zwei Amphitryonen.

AMPHITRYON.

Starr ist vor Schrecken meine ganze Seele!

Weh mir! Das Rätsel ist nunmehr gelöst.

ERSTER FELDHERR.

Wer von euch beiden ist Amphitryon?[388]

ZWEITER FELDHERR.

Fürwahr! Zwei so einander nachgeformte Wesen,

Kein menschlich Auge unterscheidet sie.

SOSIAS.

Ihr Herrn, hier ist Amphitryon, der andre,

Ein Schubiack ist's, der Züchtigung verdient.


Er stellt sich auf Jupiters Seite.


DRITTER FELDHERR auf Amphitryon deutend.

Unglaublich! Dieser ein Verfälscher hier?

AMPHITRYON.

Gnug der unwürdigen Bezauberung!

Ich schließe das Geheimnis auf.


Er legt die Hand an den Degen.


ERSTER FELDHERR.

Halt!

AMPHITRYON.

Laßt mich!

ZWEITER FELDHERR.

Was beginnt Ihr?

AMPHITRYON.

Strafen will ich

Den niederträchtigsten Betrug! Fort, sag ich.

JUPITER.

Fassung dort. Hier bedarf es nicht des Eifers,

Wer so besorgt um seinen Namen ist,

Wird schlechte Gründe haben, ihn zu führen.

SOSIAS.

Das sag ich auch. Er hat den Bauch

Sich ausgestopft, und das Gesicht bemalt,

Der Gauner, um dem Hausherrn gleich zu sehn.

AMPHITRYON.

Verräter! Dein empörendes Geschwätz,

Dreihundert Peitschenhiebe strafen es,

Dir von drei Armen wechselnd zugeteilt.

SOSIAS.

Ho, ho! Mein Herr ist Mann von Herz,

Der wird dich lehren seine Leute schlagen.

AMPHITRYON.

Wehrt mir nicht länger, sag ich, meine Schmach

In des Verräters Herzblut abzuwaschen.

ERSTER FELDHERR.

Verzeiht uns, Herr! Wir dulden diesen Kampf nicht,

Amphitryons mit dem Amphitryon.

AMPHITRYON.

Was? Ihr – Ihr duldet nicht –?

ERSTER FELDHERR.

Ihr müßt Euch fassen.[389]

AMPHITRYON.

Ist das mir eure Freundschaft auch, ihr Feldherrn?

Das mir der Beistand, den ihr angelobt?

Statt meiner Ehre Rache selbst zu nehmen,

Ergreift ihr des Betrügers schnöde Sache,

Und hemmt des Racheschwerts gerechten Fall?

ERSTER FELDHERR.

Wär Euer Urteil frei, wie es nicht ist,

Ihr würdet unsre Schritte billigen.

Wer von euch beiden ist Amphitryon?

Ihr seid es, gut; doch jener ist es auch.

Wo ist des Gottes Finger, der uns zeigte,

In welchem Busen, einer wie der andre,

Sich laurend das Verräterherz verbirgt?

Ist es erkannt, so haben wir, nicht zweifelt,

Das Ziel auch unsrer Rache aufgefunden.

Jedoch solang des Schwertes Schneide hier

In blinder Wahl nur um sich wüten könnte,

Bleibt es gewiß noch besser in der Scheide.

Laßt uns in Ruh die Sache untersuchen,

Und fühlt Ihr wirklich Euch Amphitryon,

Wie wir in diesem sonderbaren Falle

Zwar hoffen, aber auch bezweifeln müssen,

So wird es schwerer Euch, als ihm, nicht werden,

Uns diesen Umstand gültig zu beweisen.

AMPHITRYON.

Ich euch den Umstand? –

ERSTER FELDHERR.

Und mit trift'gen Gründen.

Eh wird in dieser Sache nichts geschehn.

JUPITER.

Recht hast du, Photidas; und diese Gleichheit,

Die zwischen uns sich angeordnet findet,

Entschuldigt dich, wenn mir dein Urteil wankt.

Ich zürne nicht, wenn zwischen mir und ihm

Hier die Vergleichung an sich stellen soll.

Nichts von des Schwerts feigherziger Entscheidung.

Ganz Theben denk ich selber zu berufen,

Und in des Volks gedrängtester Versammlung,[390]

Aus wessen Blut ich stamme, darzutun.

Er selber dort soll meines Hauses Adel,

Und daß ich Herr in Theben, anerkennen.

Vor mir in Staub, das Antlitz soll er senken.

Mein soll er Thebens reiche Felder alle,

Mein alle Herden, die die Triften decken,

Mein auch dies Haus, mein die Gebieterin,

Die still in seinen Räumen waltet, nennen.

Es soll der ganze Weltenkreis erfahren,

Daß keine Schmach Amphitryon getroffen.

Und den Verdacht, den jener Tor erregt,

Hier steht, wer ihn zuschanden machen kann. –

Bald wird sich Theben hier zusammenfinden.

Indessen kommt und ehrt die Tafel gütigst,

Zu welcher euch Sosias eingeladen.

SOSIAS.

Mein Seel, ich wußt es wohl. – Dies Wort, ihr Herrn,

Streut allen weitern Zweifel in die Lüfte.

Der ist der wirkliche Amphitryon,

Bei dem zu Mittag jetzt gegessen wird.

AMPHITRYON.

Ihr ew'gen und gerechten Götter!

Kann auch so tief ein Mensch erniedrigt werden?

Von dem verruchtesten Betrüger mir

Weib, Ehre, Herrschaft, Namen stehlen lassen!

Und Freunde binden mir die Hände?

ERSTER FELDHERR.

Ihr müßt, wer Ihr auch seid, Euch noch gedulden.

In wenig Stunden wissen wir's. Alsdann

Wird ungesäumt die Rache sich vollstrecken,

Und Wehe! ruf ich, wen sie trifft.

AMPHITRYON.

Geht, ihr Schwachherz'gen! Huldigt dem Verräter!

Mir bleiben noch der Freunde mehr, als ihr.

Es werden Männer noch in Theben mir begegnen,

Die meinen Schmerz im Busen mitempfinden,

Und nicht den Arm mir weigern, ihn zu rächen.

JUPITER.

Wohlan! Du rufst sie. Ich erwarte sie.[391]

AMPHITRYON.

Marktschreierischer Schelm! Du wirst inzwischen

Dich durch die Hintertür zu Felde machen.

Doch meiner Rach entfliehst du nicht!

JUPITER.

Du gehst, und rufst, und bringst mir deine Freunde,

Nachher sag ich zwei Worte, jetzo nichts.

AMPHITRYON.

Beim Zeus, da sagst du wahr, dem Gott der Wolken!

Denn ist es mir bestimmt, dich aufzufinden,

Mehr als zwei Worte, Mordhund, sagst du nicht,

Und bis ans Heft füllt dir das Schwert den Rachen.

JUPITER.

Du rufst mir deine Freund; ich sag auch nichts,

Ich sprech auch bloß mit Blicken, wenn du willst.

AMPHITRYON.

Fort, jetzo, schleunig, eh er mir entwischt!

Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,

Ihn eurem Orkus heut noch zuzusenden!

Mit einer Schar von Freunden kehr ich wieder,

Gewaffneter, die mir dies Haus umnetzen,

Und, einer Wespe gleich, drück ich den Stachel

Ihm in die Brust, aussaugend, daß der Wind

Mit seinem trocknen Bein mir spielen soll.


Ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 388-392.
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