Der jetzige Krieg

[42] O Krieg des schöneren Lorbers werth,

Der unter dem schwellenden Segel, des Wimpels Fluge,

Jetzo geführt wird, du Krieg der edleren Helden!

Dich singe der Dithyrambe, der keine Kriege sang.


Ein hoher Genius der Menschlichkeit:

Begeistert dich!

Du bist die Morgenröthe

Eines nahenden grossen Tags!


Europa's Bildung erhebt sich

Mit Adlerschwunge, durch weise Zögerung

Des Blutvergusses, durch weisere Meidung,

Durch göttliche Schonung,


In Stunden, da den Bruder tödtend,

Der erhabene Mensch zum Ungeheuer werden muss.

Denn die Flotten schweben umher auf dem Ozean,

Und suchen sich, und finden sich nicht.
[43]

Und wenn sie verweht, oder verströmt, sich endlich erblicken:

So kämpfen sie länger als je

Den leichtzertrennenden Kampf

Um des Windes Beystand.


Und muss es zuletzt denn doch auch beginnen

Das Treffen; so schlagen sie fern. Fürchterlich brüllet

Ihr Donner; aber er rollt

Seine Tod' in das Meer.


Kein Schiff wird erobert, und keins, zu belastet

Von der hineinrauschenden Woge, versenkt,

Keins flamt in die Höh, und treibet,

Scheiter, umher über sinkenden Leichen.


Der Flotten, und der Schiffe Gebieter

Schlagen so, ohne gegebenes Wort.

Was brauchen sie der Worte die tiefer denkenden

Männer? Sie handeln! verstehen sich durch ihr Handeln!


Erdekönigin, Europa! dich hebt, bis hinauf

Zu dem hohen Ziel, deiner Bildung Adlerschwung:

Wenn unter deinen edleren Kriegern

Diese heilige Schonung Sitte wird!
[44]

O dann ist, was jetzo beginnt, der Morgenröthen schönste;

Denn sie verkündiget

Einen seligen, nie noch von Mensch erlebten Tag,

Der Jahrhunderte strahlt,


Auf uns, die noch nicht wussten, der Krieg

Sey das zischendste, tiefste Brandmaal der Menschheit!

Mit welcher Hoheit Blick wird auf uns herabsehn,

Wen die Heitre labt des goldenen Tages!


Warest du, Saite, wirklicher Zukunft Weissagerin?

Sahe der Geist, welcher dich umschwebt,

Göttermenschen? oder hat er vernichtungsscheue

Gottesleugner gesehn?


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 42-45.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon