An Karl und Ernst von Kathen

[224] Bei ihrem Abschiede.


1784.


Schon erschallt die fei'rlich ernste Stunde.

Schon entlispelt banges Lebewohl

Eurer Freunde trauerstummen Munde,

Und die Seele schwillt euch schwül und voll!


Seyd getrost und ziehet hin in Frieden!

Unsre Augen sehn euch liebend nach;

Nie ermatten wird, und nie ermüden

Unser Flehen für euch, Nacht und Tag.


Seyd getrost, und trocknet eure Zähren,

Folgt, wohin euch Gott und Tugend ruft.

Klimmt hinan die steile Bahn der Ehren!

Bebt vor keinem Abhang, keiner Kluft!
[225]

Zittert nicht, zu ziehn in eine große,

Eine weite, eine fremde Welt!

Wo ihr seyd, da ruht ihr dem im Schooße,

Der in hohler Hand den Erdball hält.


Fürchtet ihn, der alles weiß und siehet!

Traut auf ihn, der ewig lebt und liebt!

Denkt in guten Tagen sein, und fliehet

Ihm in Arm, wenn sich der Himmel trübt!


Weichet nicht zur Linken noch zur Rechten

Von den Pfaden, d'rauf euch Jesus wies.

Fackel ist sein Wort in Lebensnächten.

Morgenstern in Todesdüsterniß.


Werdet groß in eurer Brüder Mitte!

Werdet Ruhm für euer Vaterland!

Tauschet nimmer edle deutsche Sitte

Um des Auslands bunten Flittertand!
[226]

Haltet fest an Redlichkeit und Treue,

Fest an Männlichkeit und heil'ger Schaam,

Unverzagt im Donnersturm wie Leue,

Doch im Sonnenschimmer lämmchenzahm.


Nie vergeudet in den Sklavenlüsten

Feiger Frevler eure edle Kraft!

Mit dem Muth des Helden und des Christen

Bändiget die Riesinn Leidenschaft!


Herrlich ist ein Held im Schlachtgetümmel,

Lorbeern werth ein stahlerrungner Sieg.

Aber herrlicher vor Gott im Himmel

Ist ein Held im Leidenschaftenkrieg.


Solchem Helden rauschen Edens Palmen.

Solches Name flammt im Lebensbuch.

Himmeldichter singen Feuerpsalmen,

Wie der Held die Schlachten Gottes schlug.
[227]

Solcher Kronen müßten viel euch schimmern!

Solcher Thaten müßt ihr viele thun.

Also werdet ihr auf Weltentrümmern,

Wie auf Blumenrasen lächelnd ruhn!


Also zieht durch Dorn- und Blumgefilde!

Zieht in Segen und in Frieden hin!

Eure Obhut sey die ew'ge Milde,

Und die Tugend eure Führerinn!


Ziehet hin, und kehret einst mit Ehren,

Und mit Trefflichkeit geschmückt, zurück,

Daß der Vater euch mit Freudenzähren,

Und die Mutter euch mit stummer Wonne an den frommen Busen drück'.


Quelle:
Ludwig Gotthard Kosegarten: Dichtungen. Band 6, Greifswald 1824, S. 224-228.
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Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
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