Zehnte Szene


[395] Gräfin – Stein.


STEIN tritt mit einer Verbeugung ein. Gnädige Frau!

GRÄFIN. Herr Baron von Stein; nicht wahr?

STEIN. So ist mein Name.

GRÄFIN. Die geheimnisvolle Einladung wird Sie befremdet haben.

STEIN. Ich leugne es nicht.

GRÄFIN. Um jedem Mißverständnisse vorzubeugen, muß ich erklären, daß ich nicht in meinem eignen Namen handle.

STEIN. Ich erwarte Ihre Befehle.

GRÄFIN. Eine meiner Freundinnen, eine junge, schöne Frau, hat Sie oft gesehen, zu oft für ihre Ruhe.

STEIN. Ich verstehe Sie nicht.

GRÄFIN. Mich dünkt, für einen Mann von Welt rede ich doch sehr verständlich.

STEIN. Ich kenne die Welt nur von der schlimmen Seite; aber hier hoffe ich nicht meine Erfahrungen zu vermehren.

GRÄFIN. Gewiß nicht! denn von diesem Augenblicke an lächelt Ihnen das Glück. Meine Freundin wünscht Sie zu sehen – oft – täglich –

STEIN. Mich?

GRÄFIN. Sie hofft einen Freund in Ihnen zu finden.

STEIN. In mir?

GRÄFIN. Auf den sie ihre Sorgen werfen –

STEIN. Auf mich?

GRÄFIN. Mit dem sie ihre frohen Stunden teilen kann.

STEIN. Mit mir?

GRÄFIN. Nun ja doch, ja, mit Ihnen. Ist es denn so etwas Außerordentliches, daß ein Mann von Ihren Jahren und von Ihrer Gestalt einer hübschen Frau gefällt?

STEIN. Gnädige Frau! Einer von uns beiden wird hier zum besten gehalten; und bei meiner Ehre, wir sehen doch nicht darnach aus, als wenn wir es verdienten.

GRÄFIN. Wenn Sie noch zweifeln, so will ich Sie der Dame selbst vorstellen.

STEIN. Ich muß mir das verbitten. Zur Unterhaltung tauge ich nicht, und zu jeder andern Bestimmung bin ich zu gut.

GRÄFIN. Man hat mir gesagt, Sie wären arm?

STEIN. Ich besitze doch noch etwas, das mir nicht feil ist, – meine Ehre.[395]

GRÄFIN. Eine Sache, aus welcher hundert andere sich gerade eine Ehre machen würden.

STEIN. Ich bin nicht, wie hundert andere.

GRÄFIN. Sie sind unglücklich?

STEIN. Wie man es nimmt; – von außen, ja!

GRÄFIN. Sie suchten Dienste?

STEIN immer und durchgehends mit vieler Höflichkeit. Doch nicht solche, als Ihro Gnaden mir anzubieten geruhen. – Haben Sie sonst noch etwas zu bestellen?

GRÄFIN. Sie sind ein seltsamer Mensch! Meine Freundin ist nicht bloß jung und hübsch, sie ist auch reich.

STEIN. Dazu wünsche ich ihr Glück; denn ohne Reichtum könnte sie leicht ärmer sein, als ich.

GRÄFIN. Sie hat viele Bekanntschaften.

STEIN mit leisem Spott. Das glaube ich.

GRÄFIN. Große Konnexionen. Sie könnte Ihnen bei Ihrem Gesuche behülflich sein.

STEIN. Mein Hofmeister hat mich schon vor zwanzig Jahren gelehrt, daß ein Edelmann sich durch Verdienste emporschwingen müsse.

GRÄFIN. Wahrhaftig, mein Herr, Ihre Begriffe sind hundertjährig.

STEIN. Desto schwerer auszurotten.

GRÄFIN. Gestehen Sie nur, es steckt noch etwas anders dahinter.

STEIN. Seit wann bedarf die Ehre noch eines Hinterhalts?

GRÄFIN. Sie lieben eine andere?

STEIN. Das gehört nicht zur Sache.

GRÄFIN. Also doch? Ich habe es erraten?

STEIN. Wenn Ihnen daran liegt, es zu wissen, ja, ich bin verheiratet, sehr glücklich verheiratet.

GRÄFIN. Nur verheiratet? O dann –

STEIN der nur noch mit Mühe an sich hält. Jetzt, gnädige Frau, errate ich Ihre Absicht. Sie wollten mich nur prüfen, ob ich wirklich ein Mann von Stande und Erziehung sei? Sie wollten versuchen, wieviel ich mir ohngefähr gefallen ließe, ohne die Grenzen des Wohlstandes zu übertreten. Sie haben gesehen, daß ich weiß, was ich einer Dame schuldig bin. Nun aber muß ich bekennen, daß ich sehr nahe an jener Grenze stehe. Ein Schritt weiter, und ich könnte mich vergessen. Erlauben Sie daher, da ich mich entferne.

GRÄFIN. Mitnichten, mein Herr! Sie mögen beschließen, was[396] Sie wollen, aber sehen müssen Sie meine Freundin, und ich wette, daß Sie dann anders sprechen.

STEIN. Wetten? Ha, ha!

GRÄFIN. Ich setze meinen Schmuck zur Wette, daß Sie Ihr noch heute die zärtlichste Liebeserklärung tun.

STEIN. Sie haben gut wetten. Sie wissen, daß ich nichts gegen Ihren Schmuck aufs Spiel zu setzen habe.

GRÄFIN. Doch, doch! Setzen Sie Ihren Degen!

STEIN. Mein Degen und meine Gesinnungen sind von einerlei Metall.

GRÄFIN. Das wollen wir doch einmal sehen, mein Herr Großsprecher! Öffnet die Kabinettüre und ruft. Kommen Sie, liebe Freundin! der Mann hat ein Herz von Kieselstein.

STEIN beiseite. Wo bin ich hingeraten?


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 395-397.
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