Neunter Auftritt


[83] Die Vorigen. Gretchen.


Nr. 15. Terzett.


BARON.

Komm, liebes Gretchen,

Bekenne frei und ohne Scheu,

Daß du mir willst angehören.

GRETCHEN läßt die Schürze, die sie sich vorhielt, fallen und verneigt sich.

Wenn Sie befehlen.

BARON.

Ha, Höll' und Teufel! Was ist das?

BACULUS für sich.

Er sieht ihr's an,

Daß der Student bei ihr saß.

GRETCHEN zu Baculus.

Macht Ernst Er oder Spaß?

BARON.

Die ist nicht deine Braut!

BACULUS.

Ei freilich.

BARON.

Hast du zwei?

BACULUS.

Bewahre!

BARON.

Bekenne laut, welche die Rechte sei?

Dies ist das liebliche Gesicht

Doch von gestern nicht, beim Teufel!

Das ist das Gesicht von gestern nicht!

BACULUS.

Das ist es nicht?

BARON.

Macht mich nicht toll!

BACULUS.

's fällt mir nicht ein.

BARON.

Die andre, wo kam sie hin?

BACULUS.

Wenn ich dem Herrn gut raten soll:

Laß Er die andre ziehn.

Die ist doch auch ganz hübsch und fein

Und würde mir viel lieber sein.

GRETCHEN.

Was hab' ich ihm denn getan?

Er sieht mich ja gar nicht an.

BACULUS zu Gretchen.

Sei nur getrost, sei nur getrost!

Dir wird dein Herr Gemahl

Und mir mein Kapital.

BARON.


Es vergehen mir die Sinne,

Ich weiß kaum, was ich beginne,

Und erbebe schier vor Zorn und Wut!

Alle Qualen, alle Schmerzen[83]

Nagen wieder mir am Herzen.

Diese Kränkung, sie fordert Blut!

GRETCHEN.

Es vergehen mir die Sinne,

Denke ich, daß ich gewinne

Einen schönen Mann von edlem Blut!

Ha, schon weichen aus dem Herzen

Alle Leiden, alle Schmerzen,

Ich erhalte auch noch Hab und Gut!

BACULUS.

Es vergehen mir die Sinne,

Denke ich, daß ich gewinne

Durch den Handel vieles Hab und Gut.

Ha, schon weichen aus dem Herzen

Alle Leiden, alle Schmerzen,

Die bereitet Liebe mir, darum Mut!

Alle Leiden verschwinden, darum Mut!

BARON.

Wer ist das Mädchen, sprich?

BACULUS.

Ach, lieber Herr, ich fürchte mich,

Es Ihnen grad' heraus zu sagen.

BARON.

Was wäre wohl dabei zu wagen?

BACULUS.

's könnt' im Schloß, bei meinem Leben,

Einen Mordspektakel geben.

BARON.

Dein Schweigen macht die Sache schlimmer;

Sprich und zähl auf reichen Lohn.

BACULUS.

Die andre ist kein Frauenzimmer.

BARON.

Kein Frauenzimmer? Wer ist sie denn?

BACULUS ihm ins Ohr schreiend.

'ne Mannsperson.

BARON empört.

Ein Mann! Ein Mann!

BACULUS.

Durch und durch und Student dazu.

BARON.

Und hat die ganze Nacht

Im Zimmer meiner Schwester zugebracht?

Himmel und Erde! Tod und Hölle!

Ich ermord' ihn auf der Stelle!


Er läuft erregt herum.


GRETCHEN, BACULUS.

Seine Schwester?

Hier im Schloß! Was ist das?

GRETCHEN zu Baculus.

Er will mich wohl nicht nehmen?

BACULUS.

Et, er wird sich schon bequemen.

GRETCHEN.

Doch er bekümmert sich ja nicht um mich.

BACULUS.

Hab nur Geduld, das findet sich.[84]

Sei nur getrost!

Dir wird dein Herr Gemahl

Und mir mein Kapital.

BARON.

Es vergehen mir die Sinne, usw.

GRETCHEN.

Es vergehen mir die Sinne, usw.

BACULUS.

Es vergehen mir die Sinne, usw.


Baculus und Gretchen ab.


Wenn Nr. 15 nicht gesungen wird, folgt nachstehender Dialog:


BARON spricht. Alle Teufel, das ist ja nicht Eure Braut!

BACULUS. Ei freilich.

BARON. Habt Ihr zwei?

BACULUS. Bewahre!

BARON. Wo ist denn die andere?

BACULUS. Herr Stallmeister, mit der andern hat's 'n Haken!

BARON. Wieso?

BACULUS heimlich zum Baron. Ich will Ihnen nur gestehen: die andere ist kein Frauenzimmer.

BARON. Was denn?

BACULUS. Eine Mannsperson.

BARON. Ein Mann?

BACULUS. Durch und durch, ein Student. Nehmen Sie deshalb lieber hier das hübsche Kind.

BARON. Packt Euch samt Eurer Braut zum Teufel! – Fort, sag' ich!

GRETCHEN. Aber, Herr Baculus –?

BACULUS. Still, komm mit! Der Herr Stallmeister reitet jetzt ein anderes Prinzip. Der Paroxismus muß erst vorübergehn!


Geht mit Gretchen durch das Gittertor ab.


BARON. Der Bursche war die ganze Nacht im Schloß, im Zimmer meiner Schwester! Höll' und Teufel!


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 83-85.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon