10. Der Ehrgeiz in der Liebe

[19] Im Namen eines Frauenzimmers.


Kommst du, mein Herze zu bestreiten:

So komm, o Liebe, nicht allein,

Laß edlen Ehrgeiz dich begleiten,

Durch ihn nimmst du vielleicht mich ein.

Zu sanfter Triebe matte Lust

Verachtet meine muntre Brust.


Wenn nur ein unschuldsvoller Knabe,

Den erst mein Auge lieben lehrt,

Wie tief ich ihn verwundet habe,

Mir stammelnd und voll Furcht erklärt:

So scheint er nur für mich entbrannt,

Weil er nichts Schönes noch gekannt.


Doch so ein Sieg kann mich vergnügen,

Der Nebenbuhlerinnen schmerzt;

Nur der darf mir zu Füßen liegen,

Der über sie regiert und scherzt;

Und meiner Reizung, die ihn zwingt,

Zum Opfer ihre Seufzer bringt.

Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 19.
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