4. Szene.

[12] Mehlmeyer. Dann Emma. Später die Wäscherin.


MEHLMEYER. Donnerwetter! Das habe ich dumm angefangen – sie hat gar nichts gemerkt. Aber ich muß meine Hemden haben, und der alte Cerberus drinnen gibt sie nicht her ohne Berappung. Zählt sein Geld. Fünfzig Pfennige – sechszig Pfennige – noch ein Pfennig und ein Knopf – das reicht nicht. Was fange ich nur an?[12]

EMMA durch die Mitte. Nein, wer hätte das gedacht von der stillen Marie – ein heimliches Liebesverhältnis! Erblickt Mehlmeyer und schreit auf. Ha!

MEHLMEYER Emma bemerkend. Ach, Fräulein Emma! Habe ich Sie erschreckt?

EMMA. Ich habe allerdings nicht vermutet, Sie hier zu finden.

MEHLMEYER. Ich hatte eine kleine Unterredung mit Ihrer Frau Mutter.

EMMA. Ach so. Setzt sich an den Arbeitstisch am Fenster; bei Seite. Was mag er nur gewollt haben?

MEHLMEYER bei Seite. Es ist zwar ein kühner Gedanke, aber – in der Not frißt der Teufel Fließen – ich möchte es beinahe wagen. Laut. Ich störe Sie doch nicht bei der Arbeit?

EMMA. Durchaus nicht.

MEHLMEYER. Dann bin ich so frei – auf einen Augenblick. Nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben Emma. Mein Fräulein, ich weiß nicht, wie Sie über mich denken? Dudeldideldum!

EMMA lächelnd. O, ich habe großen Respekt vor Ihrer Virtuosität.

MEHLMEYER. Sie sind sehr gütig, sehr liebenswürdig – wahrhaftig! Und wenn ich wüßte, daß ich Ihnen, ohne Sie zu erzürnen, etwas sagen dürfte –

EMMA. Warum denn nicht? Bei Seite. Das klingt ja gerade, als wollte er –

MEHLMEYER. Sehen Sie, zuerst wollte ich eigentlich mit Ihrer Frau Mutter darüber sprechen, nun möchte ich es aber lieber Ihnen sagen.

EMMA. Ich glaube auch, daß das richtiger ist.

MEHLMEYER. Sie glauben? Um so besser! Wir sind uns ja auch am Ende nicht mehr so ganz fremd – Trillert eine Passage auf der Lehne ihre Stuhles.

EMMA. O nein.

MEHLMEYER. Ich habe Ihnen, glaube ich, schon über meine Verhältnisse gesprochen: ich habe eine reiche Tante in Bremen, einen reichen Onkel in Hamburg und –

EMMA fortfahrend. – einen reichen Bruder auf den Südseeinseln. Wenn Einer stirbt, erben Sie was.

MEHLMEYER. Erbe ich was – richtig. Es fragt sich nur, ob Sie darauf hin, das heißt, ob Ihnen diese Sicherheit –[13]

EMMA bei Seite, erfreut. Es ist richtig, er will mir einen Antrag machen. Laut. Herr Mehlmeyer, ich hoffe, Sie denken nicht schlecht von mir, daß Sie glauben, ich möchte mein Leben lang die Hände in den Schoß legen. Wir sind zur Häuslichkeit erzogen, ich bin an die Arbeit gewöhnt und habe mir schon manches hübsche Taschengeld verdient.

MEHLMEYER näher rückend. Wirklich? Das freut mich sehr. Lalala! Bei Seite. Sie kommt mir halb und halb entgegen – gutes Mädchen! Laut. Mein Fräulein, Fräulein Emma! Wie soll ich es Ihnen sagen? Ich befinde mich in einiger Verlegenheit –

EMMA. O, Sie! ein Künstler, der so viel mit Damen umgeht –

MEHLMEYER. Eigentlich poussiere ich mehr den Buben.

EMMA erstaunt. Wie?!

MEHLMEYER. Ich spreche schon wieder dummes Zeug. Aber ich will Mut fassen und Ihnen unumwunden alles gestehen.

EMMA bei Seite. Darauf warte ich ja.

MEHLMEYER ergreift ihre Hand. Liebe Emma! Schlägt einen Triller in Emma's Hand.

EMMA zusammenzuckend. Nicht doch, das kitzelt. Zieht ihre Hand zurück.

MEHLMEYER. Entschuldigen Sie. Bei Seite. Schade! Jetzt war ich gerade so weit.

DIE WÄSCHERIN steckt den Kopf durch die Seitentür links. Na, wie ist das, Herr Mehlmeyer? Lange warte ich nun nicht mehr. Schlägt heftig die Tür zu.

EMMA erstaunt. Was war das?

MEHLMEYER. Das war – das ist es ja eben – Ergreift wieder ihre Hand. Liebe Emma –

EMMA bei Seite. Kein Zweifel, er liebt mich!

MEHLMEYER. Werden Sie mir auch nicht böse sein?

EMMA verschämt zur Erde blickend. Warum denn böse?

MEHLMEYER. Nun – Rasch einen Anlauf nehmend. Borgen Sie mir zehn Mark.

EMMA aufspringend. Was?! Weiter wollen Sie nichts von mir?

MEHLMEYER ebenfalls aufstehend. Nein. Die Dame, welche sich soeben gemeldet hat, ist meine Wäscherin; sie will die Oberhemden nicht ohne Berappung hergeben, und ich bin momentan ganz blank. So, nun ist's raus. Dudeldidum![14]

EMMA gewaltsam ihren Zorn niederkämpfend. Mein Herr! Sie – Sie – o, pfui!

MEHLMEYER kleinlaut. Sie sind mir also doch böse?

EMMA höhnisch lachend. Böse? O nein, durchaus nicht. Bitte, es wird mir eine große Ehre sein. Oeffnet den Nähtisch. Da, da, nehmen Sie doch – drei, sechs, neun, zehn Mark. So, Sie – Sie, pfui! Schämen Sie sich. Bei Seite; vor Aerger ihr Taschentuch zerrend. Schändlich! Ich erwarte eine Liebeserklärung, und er pumpt mich an. Es ist empörend! Zornig ab durch die Mitte.

MEHLMEYER. Ein gutes Mädchen, die Emma – sie tut zwar ein bischen böse, aber sie hat mir die zehn Mark doch gegeben. Sie würde mir vielleicht noch mehr gegeben haben, wenn ich es verlangt hätte. Na, ein andermal! Vorläufig bin ich froh, daß ich meine Oberhemden einlösen kann. Tralala! Trällernd ab nach links.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 12-15.
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