4. Szene.

[40] Minna. Dann Weigelt.


MINNA. In der Feurigkeit läßt mein Krümel vielleicht manches zu wünschen übrig, das ist richtig; dagegen ist er kugelfest in der Treue, und eine gemäßigte Zärtlichkeit mit Ausdauer ist immer solider.

WEIGELT in einem eleganten Schlafrock, von rechts. Minna!

MINNA. Ach, der Herr Weigelt.

WEIGELT. Ist mein Sohn schon aufgestanden?

MINNA. Ich glaube, nein.

WEIGELT. Schade, ich habe Hunger.

MINNA. Wollen Sie denn nicht alleine frühstücken?

WEIGELT. Nee, weißt du, das möchte Leopold am Ende übel nehmen; er is ja so wenig zu Hause –

MINNA. Er wird wohl viel auf's Gericht zu tun haben.

WEIGELT. Natürlich, natürlich. Du glaubst gar nicht, wie fleißig der Junge is. Paß mal auf, was der noch für 'ne Karriere macht.

MINNA. Hier. Hat die verschiedenen Rechnungen vom Tisch genommen und präsentiert sie Weigelt.

WEIGELT. Was hast du denn da?

MINNA. Rechnungen.

WEIGELT. Für mich?

MINNA. Ja. Das heißt, eigentlich sind sie für den jungen Herrn. Die Leute möchten gern ihr Geld haben.

WEIGELT. Das wird wohl nich so eilig sein. Setzt sich an den Tisch rechts. Leg man dahin, ich werde mit Leopold drüber sprechen.

MINNA. Das würde ich doch nich tun an Ihrer Stelle.

WEIGELT. Was denn?

MINNA. Die Leute auf ihr Geld warten lassen; das würde dem jungen Herrn, glaube ich, gar nicht angenehm sein.

WEIGELT. So? Meinst du? Na, gib mal her. Nimmt aus der Tasche eine alte Brille ohne Gläser, setzt dieselbe auf die Nase und läßt sich von Minna die Rechnungen zeigen. Er liest, langsam buchstabierend. »Ein schwe – schwerer –«[40]

MINNA welche ihm über die Schulter sieht, korrigierend. – schwarzer –

WEIGELT. Richtig – schwarzer »Spi – Spitz – Meyer und Wolf.« Was, ein schwarzer Spitz von Meyer und Wolf? 590 Mark. Donnerwetter, das is ein teurer Spitz!

MINNA. Ein schwarzer Spitzen-Ueberwurf.

WEIGELT. Ach so! Trägt denn mein Sohn so was?

MINNA. Wohl nich; aber es gibt Da – darum doch Leute, die das tragen.

WEIGELT. So? Nimmt eine andere Rechnung. »Ein Bra – Brazel – mit – Brillen.« Wie?!

MINNA. Ein Bracelet mit Brillanten.

WEIGELT. Meine Brille taugt nichts mehr.

MINNA. Es sind ja gar keine Gläser d'rin, Herr Weigelt!

WEIGELT die Brille abnehmend. Wahrhaftig! Nu kannst du dir denken, wie schlecht meine Augen sind – das habe ich gar nich gesehen. Minna die Rechnung gebend. Was kostet denn das Brazel mit Brillanten?

MINNA. 970 Mark.

WEIGELT. Donnerwetter!

MINNA. Soll ich weiter lesen?

WEIGELT. Nee, laß man, ich will doch erst mit Leopold sprechen. Bei Seite. Wenn er nur käme, mir knurrt der Magen schon.

MINNA. Herr Weigelt, ich wollte Ihnen auch noch bitten –

WEIGELT. Was?

MINNA. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich heute Abend mit meinem Bräutigam ein Stündchen ausgehe?

WEIGELT. Heute? Mitten in der Woche?

MINNA. Na, wenn Sie nich wollen! Ich werde jetzt den Kaffee bringen.

WEIGELT. Ja. Das heißt, nein, mein Sohn –

MINNA. Ach, tun Sie doch nich immer, als ob Sie sich vor dem jungen Herrn fürchten. Der is so gut, der tut Ihnen nischt.

WEIGELT lächelnd. Ja, gut is er.

MINNA. Und so'n netter Mensch! Nee, wie der gestern wieder reizend aussah in dem neuen grauen Anzug – wie'n Baron.

WEIGELT freudestrahlend. Nicht wahr? Ich sage dir, es[41] is ein ordentliches Vergnügen, mit ihm über die Straße zu gehen, alle Leute gucken ihm nach. Wenn ich sage Leute, denn meine ich die Damens. Die verliebten Blicke, die sie ihm zuwerfen, solltest du bloß sehen. Das geht immer so – so.

MINNA. O, Herr Weigelt, wem sagen Sie das! Meinen Sie denn, mein Krümel wäre nich eifersüchtig?

WEIGELT. Hehehe. Wirklich? – Sage mal, wolltest du lange ausbleiben heute Abend?

MINNA. Bewahre, bloß ein Stündchen.

WEIGELT. Na, denn kannst du gehen.

MINNA. Nee, Sie sind doch zu gut. Es is gar kein Wunder, daß Ihnen der junge Herr so liebt.

WEIGELT rasch. Du meinst also, daß mir mein Sohn, mein Leopold, liebt?

MINNA. Na, das is 'ne Frage – das sieht doch Jeder. Nach links horchend. Ich glaube übrigens, er ist jetzt aufgestanden.

WEIGELT. Ja? Na, denn bring man schnell das Frühstück, damit er nich warten muß.

MINNA. Gleich. Beite Seite, im Abgehen. Das wußte ich doch, daß ich den Alten 'rumkriege; den muß man bloß ins richtige Fahrwasser bringen. Ab durch die Mitte.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 40-42.
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