18. Des [197] Homeri Schrifften.

Der alte Griechische Poet Homerus, von welchem man saget / er sey blind gebohren / hat zwey grosse Bücher geschrieben / genennet Ilias und Odyssea, welche so fürtrefflich seynd / daß / so lange die Welt gestanden / ihres gleichen nicht gesehen worden. Das Buch Odysseam belangend / darinnen hat Homerus erzehlet / wie der listige und beredte Ulysses zehen gantzer Jahr lang herum gereiset / nachdem die Stadt Troja geschleiffet / und er (Ulysses) den Krieg mit zum Ende bringen helffen. Das Buch Ilias hält in sich die Beschreibung des Trojanischen Krieges / und ist wol kein Unglück oder Übel / welches der Krieg kan mit sich bringen / so in diesem Iliade nicht beschrieben.[197] Daher das Sprichwort kommen: Ilias malorum, das ist ein Hauffen Unglücks / ja alles Böses auf einen Hauffen versammlet: Weil darneben auch in dem Iliade herrliche schöne Ehren und Berathschlagungen / von Kriegen zu führen / beschrieben werden / als hat deßhalben der grosse Alexander den Iliadem Homeri so lieb und werth gehalten / daß er nicht allein das Buch allezeit bey sich gehabt / und wie er die Welt mit Krieg überzogen / darinnen gelesen / sondern auch alle Abend / wann er schlaffen gangen / den Iliadem beneben seinen Schwerdt unter sein Haupt- Küssen gelegt / und darauf geschlaffen: Ja was noch mehr ist: Als er (Alexander) den König Darium überwunden hatte / und man ein überaus köstlich Kästlein zu ihm brachte / darüber seine Kriegs-Räthe berathschlagten / was man darein legen solte? Da hat Alexander gesagt / er wüste nichts köstlichers / das man in so einem theuerbaren Kästlein verwahren könte /als Iliada Homeri. Viel Scribenten seynd der Meynung / daß erstlichen die Tragœdien aus dem Iliade, und die Comœdien aus dem Odyssea genommen worden. Die Tragœdien seynd von eitel traurigen Sachen / und haben allezeit ein trauriges Ende: Die Comœdien aber seynd von lustigen und glücklichen Sachen / und haben einen fröhlichen Ausgang.


Christen haben ein schönes Buch / welches man nennet die heilige Schrifft / welches sie sollen höher halten /denn die theuersten Perlen / und sie stets in den Kästlein ihres Hertzens tragen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 197-198.
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