69. Undanckbarkeit zweyer bösen Buben gegen[959] Scedaso an den Spartanern gestrafft.

In dem Flecken Leuctra nicht weit von Thebæ gelegen / wohnete ein Bauersmann Scedasus, war geringes Vermögens / aber dabey doch gutthätig und freygebig. Dieser hatte zwo Töchter / seine eingezogene Mägdlein / welche seine Haußhaltung versorgeten. Auf eine Zeit reiseten zween Spartanische Jünglinge durch denselben Flecken / welche Scedasus beherbergte / und ihnen allen guten Willen erzeigete: Des folgenden Tages giengen sie von dannen und vollbrachten ihre Reise. Als sie nun nach etlichen Tagen wieder dahin kamen / war Scedasus eben nicht zu Hause / die Töchter aber empfiengen dieselbe freundlich / und tractirten sie nach des Hauses Vermögen. Diese undanckbare Gäste aber bezahleten ihnen die Herberge sehr übel / schändeten sie mit Gewalt / ermordten sie noch darzu / und wurffen ihre todte Leiber in einen Brunnen. Da[959] der Alte wieder nach Hause kam / und die Töchter nicht fand / wuste er nicht / wie es in seinem Abwesen zugangen wäre / biß daß er durch stetiges Bellen des Hauß-Hündleins zum Brunnen geführet ward / in welchem er die todten Cörper seiner Töchter fand / und dieselben begrub. Er forschete nach / und erfuhr / daß niemand als die zween Spartanischen Jünglinge in seinem Hause gewesen waren: Gieng derowegen nach Sparta / und verklagte die undanckbare Buben: Als er aber nicht gehöret ward / kehrete er wieder um / rieff GOtt um Rache an / und erstach sich selbst über dem Grab seiner Töchter. Kurtz darnach fielen die Thebaner von den Spartanern ab / welche ihr Lager schlugen bey obgemeldtem Flecken Leuctra: Denen zogen jene entgegen: Als sie aber zweiffelten / ob sie mit den Spartanern fechten solten / erschienen einem der Obristen Pelopida nicht allein die Töchter Scedasi, sondern auch der Alte selbst / und vermahneten ihn / daß er gutes Muths wäre / und getrost die Spartaner angreiffen solte. Darauf geschahe ein Treffen / und wurden die Spartaner eben an dem Ort / da die 2. Töchter Scedasi begraben lagen / anfänglich getrennet / darnach in die Flucht geschlagen / 4000. aus ihnen / samt ihrem Könige Cleombroto erwürget / und die mächtige Stadt Sparta durch die geringe Macht der Thebaner unter dem tapffern Obristen Epaminonda und Pelopida dergestalt gedemüthiget / daß sie nach diesem niemals wieder zu ihren vorigen Kräfften kam.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 959-960.
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