Letzte Szene


[327] Strephon öffnet das Fenster und steigt, ohne sie gewahr zu werden, herein, eine Pistole in der Hand.


STREPHON der sich umsieht. Ha noch Licht – Indem er sie gewahr wird. Ein tröstender Anblick! Seraphine kniend vor dem Liebenswürdigen – Gott wie konnte sie sich sieben Jahre lang verstellen! Seraphine und Prado fahren erschrocken auf, als sie ihn sehen. Ich komme nicht, euer Glück zu stören, junges Paar – ich komme, es vollkommen zu machen. Indem er losdrücken will, fällt ihm Prado in die Arme.

PRADO. Unglücklicher, was machst du? Sie ist dein! –

SERAPHINE vor ihm niederkniend. Um unserer Liebe willen, Strephon! leben Sie für mich!

STREPHON. Für Sie? –

SERAPHINE nimmt seine Hand, aus der Prado die Pistole gewunden. Für mich, für mich – diese Hand war es, der ich heut am Altar ewige Treue schwur. Prado war nur dein Abgeordneter.

STREPHON. So sucht man einen, der im hitzigen Fieber liegt, zurechtzubringen.

PRADO. Nein, kennen Sie Ihr Glück ganz, redlicher Strephon. Ich bin zu stolz, Ihnen ein Herz zu entziehen, das Ihnen mit so vielem Recht gehört. Vielmehr will ich dem Wink des Himmels folgen, der mich zum Mittel hat brauchen wollen, zwei so standhafte Herzen auf ewig mit einander zu vereinigen. Sie heiraten Seraphinen in meinem Namen, und ich will Ihr beiderseitiger Beschützer sein. Die Wollust einer großen Tat wiegt die Wollust[327] eines großen Genusses auf, und es wird noch die Frage sein, wer von uns am meisten zu beneiden ist. Kommen Sie in den Garten, der Morgen bricht an, er soll unsere gemeinschaftlichen Freudentränen sehen, und derweile Sie beide, Hand an Hand, die letzten Töne der einschlafenden Nachtigall genießen, will ich Ihnen den Plan unserer künftigen Lebensart erzählen, der unter uns dreien ein ewiges Geheimnis bleiben soll.

STREPHON faßt ihn an die Hand und sieht ihm fest in die Augen. So ist es denn möglich, Prado? –

PRADO umarmt ihn schluchsend, ohne ein Wort zu antworten.

STREPHON windet sich los aus seinen Armen; indem er ihm die Knie umschlingt. O welche Wollust ist es, einen Menschen anzubeten!

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 327-328.
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