Achter Brief

[289] An ebendenselben


Sie hatten Ihrem letzten Briefe des Herrn Walchs Geschichte der »Catharina von Bora« beigelegt; und ich merke gar wohl, warum? Der Schluß meines vorigen Schreibens ist Ihnen anstößig gewesen, und Sie haben das Andenken dieser rechtschaffnen Frau bei mir nicht besser zu retten gewußt. Ob Sie es nun gleich nicht nötig gehabt hätten, so muß ich Ihnen doch für die Mitteilung dieses Werks den verbindlichsten Dank abstatten, weil ich kein gemeines Vergnügen dabei gefunden habe. Und notwendig muß es allen denjenigen sehr angenehm sein, welche auch Kleinigkeiten und häusliche Umstände von großen Männern zu wissen begierig sind, weil diese auf ihren Charakter oft ein größeres Licht werfen, als alles das, was sie vor den Augen der Welt verrichtet haben. Luther aber, welches Bekenntnis ich Ihnen schon mehr als einmal getan, gehört in der Tat unter die großen Männer, man mag ihn auf einer Seite betrachten auf welcher man will; und das Leben seiner Frau beschreiben, heißt ihn auf derjenigen Seite bekannt machen, auf der ihn wenige kennen, und welche auch bei den größten Helden gemeiniglich die schwächste ist. Wären alle die Beschuldigungen wahr, welche seine Feinde der Catharina von Bora machen, so müßte die Liebe über Luthern allzuviele und allzuschimpfliche Macht gehabt haben, wann er das lüderlichste Weibsbild so zärtlich geliebt hätte, als er in der Tat seine Frau geliebt hat. Wegen ihrer Herrschsucht ist ihr Gedächtnis am meisten angefeindet worden, und ich selbst kann sie noch nicht recht davon frei sprechen, ob ich gleich bekenne, daß Herr Walch alles gesagt hat, was man nur immer zu ihrer Rettung sagen kann. Er hat vieles beantwortet; ein Zeugnis aber hat er gleichwohl nicht beantwortet, vielleicht weil es ihm nicht bekannt gewesen.[289] Dieses Zeugnis schreibt sich von einem Manne her, welcher unter die Feinde unsers Luthers nicht gehört, von dem Henricus Stephanus nämlich, unter dessen Gedichten man ein Eprigramm findet, von welchem ich allezeit geglaubt habe, daß es eine kleine Verspottung des unter der Herrschaft seiner Frau stehenden Reformators sein solle. Ich wollte wünschen, daß es ihm bekannt gewesen wäre, um zu erfahren, was man darauf antworten könne. Vielleicht fällt Ihnen, mein Herr, eine Antwort ein; Ihnen, dessen Einbildungskraft immer gegenwärtig ist. Hier haben Sie es:


De Cornelio

Uxorem vocitat Dominam Cornelis, illa

Increpat ut famulum, verberat ut famulum.

Obsignat sic verba sui Katharina mariti.

Nec vanum titulum quem gerit, esse docet,

Sed contra, ejus habent haec quantum verbera pondus,

Tantum verba sui pondus habere viri.


Ich dringe hier auf dreierlei. Erstlich ist es bekannt, daß Luther seine Frau nicht nur seine Dominam, sondern wohl gar im Scherze seinen Dominum genennet hat. Zweitens, hätte Stephanus nicht die Catharina von Bora im Sinne gehabt, so wüßte ich nicht, warum er gleichwohl diesen Namen gebraucht, da er sonst durchgängig in seinen Sinnschriften lateinische Namen, und sonderlich die Namen des Martials braucht. Drittens: auf wen kann der Schluß: »so viel Nachdruck die Schläge der Frau hatten, so viel Nachdruck hatten die Worte des Mannes,« besser gedeutet werden, als auf Luthern, den durchdringenden Redner? Wann Sie, mein Herr, auf diese drei Punkte etwas zu antworten wissen, so tun Sie es bei Zeiten; denn wahrhaftig ich bin es nunmehr bald satt, Ihnen von nichts als von Luthern, und von Dingen die Luthern angehen, zu schreiben. Meine Nachricht von Lemnius können Sie in Ihrem Werke nach Belieben brauchen, aber es versteht sich, ohne mich zu nennen. Die Lücken derselben zu füllen, dürfen Sie nur nachschlagen, was außer den angeführten Schriftstellern, Simmler, Crusius in dem Leben des Sabinus, Camerarirus in dem Leben des Melanchthons,[290] Wimmerus in dem Leben des Pontanus, und was Borrichius von ihm haben. Ich bin etc. W** 1752.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 289-291.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Briefe
Briefe,die neueste Literatur betreffend.Mit einer Dokumentationzur Entstehungs-und Wirkunsgeschichte
Werke und Briefe. 12 in 14 Bänden: Band 4: Werke 1758-1759
Werke und Briefe. 12 in 14 Bänden: Band 6: Werke 1767-1769
Werke und Briefe. 12 in 14 Bänden: Band 11/1: Briefe von und an Lessing 1743-1770
Briefe. 2 in 3 Bänden