Reihen aus dem Trauerspiel: »Ibrahim Bassa«

Weh! weh mir Asien! ach weh!

Weh mir! – Ach! wo ich mich vermaledeien,

Wo ich bei dieser Schwermuthssee,

Bei so viel Ach selbst mein bethränt Gesicht verspeien,

Wo ich mich selbst mit Heul'n und Zeterrufen

Durch strengen Urtheilsspruch verdammen kann,

So nimm dies lechzend Ach, bestürzter Abgrund, an!

Bestürzter Abgrund! – O die Glieder triefen

Voll Angstschweiß! – Ach, des Achs! – der laue Brunn der dürren Adern schwellt

Den Gischt der Purpurfluth! Mein Blutschaum schreibt mein Elend in den Sand![81]

Entthronte Königinn! entzepterte Beherrscherinn der Welt!

Gestürztes Asien! aus Ichts in Nichts und Staub verstobnes Land!

Ja wohl, aus Ichts, als mein gekröntes Haupt

Ein Haupt so viel gekrönter Häupter war,

Als ich noch mit Siegspalmen war belaubt

Und aller Welt Gesetze reichte dar,

Als noch, gesenkt zu diesen Füßen,

Europens Haupt und Afrika mein Zepter mußte küssen,

Als mein Gebot, wie Stahl und Gluth, durchdrang

Und Länder zwang.


Ach, aber ach! – So hoch als ich beim Tugendgipfel

In goldgestickten Kleidern stand,

So tief hat sich das Spiel verwandt.

So starb mein Ruhm! so schlägt die Zeit die grünen Wipfel

Von den bejahrten Cedern ab.[82]


Man schmückt mich je noch wohl mit diesem Purpurrocke,

Mit Infuln, Kron' und Königsstab

Hals, Achseln, Händ' und Haupt, wo man mit solcher Schminke

Mich nicht blos spöttisch schminkt und äffet und geheiht.

Doch auch gesetzt, daß dies Beschönungskleid

Mich nicht beschimpft,

So trag' ich's doch nur zur Vermummung meiner Flecke,

Zur Brand- und Schandmals-Schmink' und meiner Schalkheitsdecke,

Wiewohl ich weiß, daß man die Nase rümpft

Und Mäuler auf mich flennet,

Ich weiß nicht, wie? mich nennet.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –[83]


Mich schmerzt's, und ich beschmerz' es auch mit diesem langen Seufzergalme,

Wenn ich mich, wie aus einem Traum' und Qualme,

Auf mich, als ich noch in der Blüthe war, besinne.

War ich nicht, Asien, die größt' und ältst' und schönste meiner Schwestern?

Hat Neid und Geifersucht mich vor der Themis Richtsthul können lästern?

Der Menschen Ahnherr hielt mich erblich inne.

Hat alles All, das Ost und West und Süd und Nord nicht schließen,

Mich selbst nicht oft mit seinem Glanz erfüllt

Und sich selbständig in mich eingehüllt?

Luft, Himmel, Erde, Meer, Gluth, Felder, Wälder, Klippen wissen

Mit stummer Zunge nachzusprechen,

Daß sie gesehn die Sonne stehn,

Gewölkte Feuersäulen gehn,

Die Felsen bersten, Klippen brechen,

Den Regen Brot, die Wellen Mauern werden.[84]


Weh! weh mir Asien! ach weh!

Stand Jemand auf dem Schauplatz dieser Erden

So hoch gepflanzt zur Ehrenhöh'?

Mein Mund hat Kirch' und Volk den Gottesdienst gelehrt;

Die Welt hat unsern Arm als Kronenherrn verehrt.


Das zwölfbekrönte Haupt, des Halses Alabaster

Pflügt unter Gogs und Magogs Joch;

Der freie Nacken ist verkoppelt an die Laster,

Vor denen ich kaum athme noch.

Der Zepter und die Hand, die sonst nicht mörderisch mißhandelt,

Hat sich mir in Metall, blutdurstig Erz verwandelt;

Das dürre Herze schwimmt in Flamm' und Glüth;

Der Glieder Ketten schwirr'n, die stählernen Gelenk' erzittern,[85]

Der steinern-schwere Fuß tritt und zerknickt durch sein Erbittern;

Die treuge Zunge leckt geliefert Blut.


Fragt, Sterbliche, nach Kind- und Elternmördern,

Und die durch Dolch und Gift und Strang und Schwert

Der Freunde Reih' und Brüderschaar begehrt,

In's Beinhaus für bestimmte Zeit zu fördern!

Fragt, Fürsten, fraget nach nach denen, die die Klauen

Um Lust, zu herrschen, durch des Herrschers Brust gehauen!

Ach, tausend Würmer wohl, die also sich vergangen,

Aus meinem Schooß' entsprangen!

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Blitzet! ach, blitzet! ach, Wolken und machet von den umfesselnden Lastern mich los!

Donner! ach, Donner! zerschlag' und zersplittre jedes in einen zetrümmerten Kloß!


Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 81-86.
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