Vierter Auftritt

[44] Die Vorigen. Marie. (sehr eilig.)


MARIE zu Iwanow. Aber, wo steckst du denn? Ich suche dich überall.

IWANOW. Siehe da, es freut mich, daß ich endlich das Vergnügen habe –[44]

MARQUIS sich umsehend. Die Kleine sieht bezaubernd aus.

LEFORT. Allerliebst.

ZAR. Bist du nun zufrieden, Iwan? Leise zum Marquis. Zur Sache, Herr Marquis!

IWANOW. Allerliebst, bezaubernd! Und das hörst du alles an?

MARIE. Mein Gott, ich kann den Leuten doch das Reden nicht verbieten. Geh, du bist wieder recht brummig! Ich habe mich so oft auf den heutigen Abend gefreut, aber immer mußt du mir die Lust verbittern. – Komm mit, wir haben uns in der großen Laube versammelt und wollen das Brautlied singen, das uns Peter Michaelow gelehrt hat, du tanzest dann mit mir die Runde.

IWANOW. Marie, sieh mir einmal ins Gesicht.

MARIE tut es. Nun?

MARQUIS zieht mehrere Papiere hervor, leise zum Zaren. Hier ist der Traktat, wenn Euer Majestät geruhen wollen –

IWANOW. Hast du mich wirklich aufgesucht?

MARIE. Wen soll ich denn suchen?

IWANOW. Es könnte ja auch wohl der gewisse Jemand sein.

MARIE lauter. Du meinst doch nicht den Franzosen?

Marquis hört es und sieht sich um.


IWANOW. Ja, sehen Sie sich nur um, die Rede ist von Ihnen.

MARIE. Pfui, Iwan, das war wieder ein schlechter Witz.

MARQUIS steht auf. Sie haben mich also wiedererkannt, mein schönes Kind?

IWANOW. Jetzt geht das Courschneiden wieder los.

MEHRERE GÄSTE haben sich, während der Zar liest, hinter ihm gesammelt. Was haben denn die da zu verhandeln?

ANDERE. Wohl Staatsgeheimnisse?

MARIE die sich mit dem Marquis unterhielt. Nein, mein Herr, wir haben keine Zeit, wir müssen zum Konzert.

MARQUIS lacht. Zum Konzert?

MARIE mit einem Knicks. Ich bin die Sängerin, mit Ihrer Erlaubnis, ich singe vor.[45]

MARQUIS. Ach, dürfte ich Ihnen doch nachsingen.

MARIE. Das steht Ihnen frei. Können Sie denn auch singen?

MARQUIS. Ei wohl, aber nur zärtliche, schmachtende Romanzen. Er geht zum Zaren zurück.

IWANOW läuft herum. Gott steh mir bei! Zu Marie. Komm, Marie. wenn der Kerl gar anfängt zu singen, trifft mich der Schlag.

MARQUIS leise zum Zaren. Sie werden beobachtet.

IWANOW. Komm, Marie, mir fängt an schwül zu werden.

MARIE. Gleich! gleich! Zum Marquis. Bitte, lieber Herr, singen Sie etwas Schmachtendes.

IWANOW. Aber Marie. –

ZAR leise zum Marquis. Tun Sie es, damit ich ungestört bin.

MARQUIS zu Marie. Was könnte ich Ihnen abschlagen? Sie wünschen also –

MARIE. Etwas recht Zärtliches; hier auf Iwanow zeigend dieser junge Mann hört es so gern.

Iwanow seufzt.


MARIE. Hören Sie, wie er seufzt. Ja, solche Lieder sind seine Passion, so etwas zum Zerfließen! Leise zu Iwanow. Das ist für deinen niedrigen Argwohn.

MARQUIS. Tretet näher, meine Freunde, und singt den Endreim mit.

Alle sammeln sich um den Marquis.

Zar an seinem Tische, liest ungestört.

Nr. 9. Lied mit Chor


MARQUIS.

Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen,

Wider Willen muß ich fort;

Doch ich liebe dich von Herzen,

Darauf geb ich dir mein Wort.

Teurer weit als meine Seele

Bist du, o Geliebte, mir!

Und keiner andern soll's jemals gelingen,

Mir auch entfernt nur gefährlich zu sein;

Konnt' ich dein Herz, deine Liebe erringen,

Kann ich auch ewige Treue dir weihn![46]

MARIE, MARQUIS UND CHOR.

Ewige Treue will ich ihr weihn.

Ewige Treue will er ihr weihn.

Ich will ewige Treue der Teuren weihn.

Er will ewige Treue der Teuren weihn.

MARQUIS.

Gib mir diese seidne Locke,

Auf dem Herzen ruhe sie,

Meiner holden Maid aus Flandern,

Die ich wider Willen flieh,

Ihrer werd ich mich erinnern,

Wenn mich Kampf und Schlacht umgibt.

Doch wirst du auch einstens meiner gedenken

Der dir gehöret mit Herz und mit Sinn,

Und eine Träne der Wehmut mir schenken,

Wenn ich nicht mehr unter Lebenden bin?

Wirst du auch meiner zärtlich gedenken,

Teures Mädchen, der dir stets gehöret mit Herz und Sinn?

MARQUIS, MARIE UND CHOR.

Der dir gehört mit Herz und Sinn;

Wirst du mein auch gedenken mit Herz und Sinn?


Quelle:
Albert Lortzing: Zar und Zimmermann. Stuttgart [o. J.], S. 44-47.
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