XXV.

[410] Nireus, Thersites und Menippus.


NIREUS. Da ist ja Menippus! Der kann gleich den Ausspruch tun, wer von uns beiden der Schönste ist. Aufrichtig, Menippus, deucht dir nicht, daß ich schöner bin als er?

MENIPPUS. Wer seid ihr denn? Das ist, denke ich, was ich vor allen Dingen wissen muß.

NIREUS. Nireus und Thersites.

MENIPPUS. Wer von beiden ist denn Nireus und wer Thersites? Denn bis itzt fällt es nicht in die Augen.

THERSITES. Ich habe also schon so viel gewonnen, daß ich dir ähnlich bin und dein Vorzug also so groß nicht sein kann, wie ihn der blinde Homer macht, da er dich den schönsten aller Griechen nennt; braucht es einen stärkern Beweis, als daß ich, meines spitzigen Kopfes und meiner einzelnen Haare ungeachtet, dem Richter nicht schlechter vorgekommen bin als du? Aber betrachte uns recht, Menipp, und sage dann, welchen du für den schönern hältst.

NIREUS. Natürlicherweise mich, den Sohn des Charops und der Aglaja,


mich, den schönsten der Männer, die gegen Ilion zogen.


MENIPPUS. Wenigstens bist du nicht als der Schönste unter die Erde gekommen, deucht mich: die Knochen sind gleich, und zwischen deinem Schädel und des Thersites seinem dürfte wohl kein andrer Unterschied sein, als daß der deinige leichter zu zermürsen ist; denn er sieht so schwach und unmännlich aus, daß man ihn eher für einen Weiberschädel halten sollte.

NIREUS. Frage nur den Homer, was für ein Mann ich war, da ich unter den Griechen vor Troja Dienste tat.

MENIPPUS. Träume, mein guter Nireus! Ich weiß nur das, was ich sehe und was du jetzt bist; was du damals warst, mögen die wissen, die mit dir lebten.

NIREUS. Ich wäre also hier nicht schöner als andere, Menipp?[410]

MENIPPUS. Hier ist niemand schön, weder du noch ein anderer: im Lande der Toten sind alle gleich.

THERSITES. Ich, für meinen Teil, verlange nicht mehr.

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 410-411.
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