Historia von der Susanna vnd Daniel.

1ES war ein Man zu Babylon / mit namen Joiakim / 2der hatte ein Weib / die hies Susanna /eine tochter Helkia / die war seer schöne vnd dazu gottfürchtig / 3Denn sie hatte frome Eltern / die sie vnterweiset hatten nach dem gesetz Mose. 4Vnd jr man Joiakim war seer reich / vnd hatte einen schönen Garten an seinem hause. Vnd die Jüden kamen stets bey jm zusamen / weil er der furnemeste Man war vnter jnen allen.


5ES worden aber im selbigen jar zween Eltesten aus dem volck zu Richtern gesetzt / das waren solche Leute von welchen der HERR gesagt hatte / Jre Richter vben alle bosheit zu Babylon / 6Die selbigen kamen teglich zu Joiakim / vnd wer eine Sache hatte /muste daselbs fur sie komen.

7VND wenn das Volck hinweg war / vmb den mittag / pflegt die Susanna in jres Mans garten zu gehen. 8Vnd da sie die Eltesten sahen teglich darein gehen /wurden sie gegen jr entzünd mit böser lust / 9vnd wurden drüber zu Narren / vnd worffen die augen so gar auff sie / Das sie nicht kondten gen Himel sehen /vnd gedachten weder an Gottes wort noch straffe.

10SJe waren aber beide zu gleich gegen jr entbrand / 11vnd schemets sich einer dem andern zu offenbaren / vnd jglicher hette gern mit jr gebulet / 12Vnd warteten teglich mit vleis auff sie / das sie sie nur sehen möchten. Es sprach aber einer zum andern / 13Ey las vns heim gehen / Denn es ist nu zeit essens. 14Vnd wenn sie von einander gegangen waren / keret darnach jglicher widerumb / vnd kamen zugleich wider zusamen. Da nu einer den andern fragte / Bekandten sie beide jre böse lust / Darnach wurden sie mit einander eins / darauff zu warten / wenn sie das Weib möchten allein finden.


15VNd da sie einen bequemen tag bestimpt hatten / auff sie zu lauren / Kam die Susanna mit den zwo Megden / wie jre gewonheit war in den garten sich zu wasschen / Denn es war seer heis. 16Vnd es war kein Mensch im Garten / on diese zween Eltesten / die sich heimlich versteckt hatten / vnd auff sie laureten. 17Vnd sie sprach zu jren Megden / Holet mir Balsam vnd Seiffen / vnd schliesset den Garten zu / das ich mich wassche. 18Vnd die Megde thaten wie sie [240a] befolhen hatte / vnd schlossen den Garten zu / vnd giengen hin aus zur hinder thür / das sie jr brechten / was sie haben wolt / Vnd wurden der Menner nicht gewar / denn sie hatten sich versteckt.


Rechte Bildhälfte: Susanna im Garten (rechts das Bad), von den beiden Ältesten bedrängt. Im Mittelgrund öffnet einer von ihnen die Tür, um das Gesinde hereinzulassen (Sus. 16-27). Linke Bildhälfte: In der Gerichtsverhandlung verhört Daniel (mit Heiligenschein) den einen Ältesten; der andere wird im Vordergrund von zwei Dienern bewacht (Sus. 51-55). Rechts im Hintergrund: Die beiden Ältesten werden gesteinigt (Sus. 62)
Rechte Bildhälfte: Susanna im Garten (rechts das Bad), von den beiden Ältesten bedrängt. Im Mittelgrund öffnet einer von ihnen die Tür, um das Gesinde hereinzulassen (Sus. 16-27). Linke Bildhälfte: In der Gerichtsverhandlung verhört Daniel (mit Heiligenschein) den einen Ältesten; der andere wird im Vordergrund von zwei Dienern bewacht (Sus. 51-55). Rechts im Hintergrund: Die beiden Ältesten werden gesteinigt (Sus. 62)


19DA nu die Megde hinaus waren / kamen die zween Eltesten erfur / vnd lieffen zu jr / vnd sprachen / 20Sihe der Garten ist zugeschlossen / vnd niemand sihet vns / vnd sind entbrand in deiner liebe /Darumb so thu vnsern willen. 21Wiltu aber nicht / So wöllen wir auff dich bekennen / Das wir einen jungen Gesellen allein bey dir funden haben / vnd das du deine Megde darumb habst hinaus geschickt.

22DA erseuffzet Susanna / vnd sprach / Ah wie bin ich in so grossen engsten / Denn wo ich solchs thu /So bin ich des tods / Thu ichs aber nicht / so kome ich nicht aus ewren henden. 23Doch wil ich lieber vnschüldig in der Menschen hende komen / denn wider den HERRN sündigen. 24Vnd fieng an laut zu schreien / Aber die Eltesten schrien auch vber sie / 25Vnd der eine lieff hin zu der thür des Garten / vnd that sie auff. 26Da nu das Gesinde solch geschrey hörete / lieffen sie her aus in Garten zur hinder thür / zu sehen was jr widerfaren were. 27Vnd die Eltesten fiengen an von jr zu sagen / Das sich die knechte jrenthalben schemeten / Denn des gleichen war zuuor nie von Susanna gehöret worden.


28VNd des andern tages / da das Volck in Joiakim jres Mannes hause zusamen kame / Da kamen auch die zween Eltesten / vol falscher list wider Susanna /das sie jr zum Tod hülffen / 29Vnd sprachen zu allem Volck / Schickt hin / vnd lasset Susanna / die tochter Helkie / Joiakims weib / her holen. 30Vnd da sie gefoddert war / kam sie mit jren Eltern vnd Kindern /vnd jrer gantzen Freundschafft. 31Sie war aber seer zart vnd schöne / 32Darumb hiessen diese Böswicht jr den Schleier wegreissen / damit sie verhüllet war /auff das sie sich ergetzten an jrer schönheit / 33Vnd alle die bey jr stunden / vnd die sie kenneten / weineten vmb sie.

34VNd die zween Eltesten tratten auff mitten vnter dem Volck / vnd legten die hende auff jr Heubt / 35Sie aber weinete / vnd hub die augen auff gen Himel / Denn jr hertz hatte ein vertrawen zu dem HERRN. 36Vnd die Eltesten fiengen an vnd sprachen / Da wir beide allein in dem Garten vmbher giengen / kam sie [240b] hinein mit zwo Megden /vnd schlos den Garten zu / vnd schickte die megde von jr / 37Da kam ein junger Gesel zu jr / der sich versteckt hatte / vnd legt sich zu jr. 38Da wir aber in einem winckel im Garten solche schande sahen / lieffen wir eilend hin zu / vnd funden sie bey einander / 39Aber des Gesellen kundten wir nicht mechtig werden / Denn er war vns zu starck / vnd sties die thür auff / vnd sprang dauon. 40Sie aber ergriffen wir /vnd fragten / Wer der junge Gesel were? Aber sie wolt es vns nicht sagen / Solchs zeugen wir.

41VNd das Volck gleubte den zween / als Richtern vnd Obersten im Volck / vnd verurteileten die Susanna zum tode. 42Sie aber schrey mit lauter stimme vnd sprach / HERR ewiger Gott / der du kennest alle heimligkeit / vnd weissest alle ding zuuor / ehe sie geschehen / 43Du weissest / das diese falsch Zeugnis wider mich gegeben haben. Vnd nu sihe / Jch mus sterben / so ich doch solchs vnschüldig bin / das sie böslich vber mich gelugen haben / 44Vnd Gott erhöret jr ruffen.


45Vnd da man sie hin zum tode füret / erwecket Gott den Geist eines jungen Knabens / der hies Daniel / Der fieng an laut zu ruffen / 46Jch wil vnschüldig sein an diesem blut. 47Vnd alles Volck wendet sich vmb zu jm / vnd fraget jn / Was er mit solchen worten meinete? 48Er aber trat vnter sie / vnd sprach / Seid jr von Jsrael / solche Narren / das jr eine tochter Jsrael verdampt / ehe jr die Sache erforschet vnd gewis werdet? 49Keret wider vmb fürs Gericht / Denn diese haben falsch Zeugnis wider sie geredt / 50Vnd alles Volck keret eilend wider vmb.


VND die Eltesten sprachen zu Daniel / Setze dich her zu vns / vnd berichte vns / weil dich Gott zu solchem Richterampt foddert. 51Vnd Daniel sprach zu jnen / Thut sie von einander / so wil ich jglichen sonderlich verhören. 52Vnd da sie von einander gethan waren / foddert er den einen / vnd sprach zu jm / Du böser alter Schalck / jtzt treffen dich deine sünde / die du vor hin getrieben hast / 53da du vnrecht Vrteil sprachest / vnd die Vnschüldigen verdamptest / Aber die Schüldigen los sprachest. So doch der HERR geboten hat / Du solt die Fromen vnd vnschüldigen nicht tödten. 54Hastu nu diese gesehen / so sage an /Vnter welchem Bawm hastu sie bey einander funden? Er aber antwortet / vnter einer Linden1. 55Da sprach Daniel / O recht / Der Engel des HERRN wird dich finden / vnd zuscheitern / Denn mit deiner lügen bringestu dich selbs vmb dein Leben.


56VND da dieser hinweg war / Hies er den andern auch fur sich komen / vnd sprach zu jm / Du Canaans art / vnd nicht Juda / Die schöne hat dich bethöret /vnd die böse lust hat dein hertz verkeret. 57Also habt jr den töchtern Jsrael mit gefaren / vnd sie haben aus furcht müssen ewren willen thun / Aber diese tochter Juda / hat nicht in ewr bosheit gewilliget. 58Nu sage an / Vnter welchem baum hastu sie bey einander ergriffen? Er aber antwortet / Vnter einer Eichen. 59Da sprach Daniel / O recht / Der Engel des HERRN wird dich zeichen / vnd wird dich zurhawen / Denn mit deiner lügen bringestu dich selbs vmb dein leben.


60DA fieng alles Volck an mit Lauter stim zu ruffen / vnd preiseten Gott / Der da hilffet denen / so auff jn hoffen vnd vertrawen. 61Vnd tratten auff wider die zween Eltesten / weil sie Daniel aus jren eigen worten vberweiset hatte / das sie falsche Zeugen weren / 62Vnd thaten jnen nach dem gesetz Mose / wie sie sich an jrem Nehesten verschuldet hatten / vnd tödteten sie. Also ward des selben tages das vnschüldig blut errettet. 63Aber Helkia sampt seinem Weibe /lobten Gott vmb Susanna jre Tochter / mit Joiakim jrem Man vnd der gantzen Freundschafft / das nichts vnehrlichs an jr erfunden ward. 64Vnd Daniel ward gros fur dem Volck / von dem tage an / vnd hernach fur vnd fur. [241a]


Quelle:
Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. 2 Bände, München 1972.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon