Von der Stadmaus vnd Feldmaus.

[10] Ein Stadmaus gieng spaciren / vnd kam zu einer Feldmaus / die thet jr gütlich / mit Eicheln / Gersten /Nüssen / vnd womit sie kund. Aber die Stadmaus sprach / du bist eine arme Maus / was wiltu hie in Armut leben / Kome mit mir / ich will dir vnd mir gnug schaffen / von allerlei köstlicher Speise. Die Feldmaus zog mit jr hin / in ein herrlich schön Haus /darin die Stadmaus wonet / vnd[10] giengen in die Kemnoten / da war vol auff / von Brod / Fleisch / Speck /Würste / Kese / vnd alles / da sprach die Stadmaus /Nu iss vnd sey guter ding / solcher Speise hab ich teglich vberflüssig.

In des kömpt der Kelner / vnd rumpelt mit den Schlüsseln an der thür / Die Meuse erschracken vnd lieffen dauon / Die Stadmaus fand bald jr Loch / Aber die Feldmaus wüsste nirgend hin / Lieff die wand auff vnd abe / vnd hatte sich jres Lebens erwegen.

Da der Kelner wider hinaus war / sprach die Stadmaus / Es hat nu kein Not / las vns guter ding sein. Die Feldmaus antwortet / Du hast gut sagen / du wusstest dein Loch fein zu treffen / dieweil bin ich schier für Angst gestorben. Ich wil dir sagen was die meinung ist / Bleibe du eine reiche Stadmaus / vnd fris Würste vnd Speck / Ich wil ein armes Feldmeuslin bleiben / vnd mein Eicheln essen / Du bist kein Augenblick sicher für dem Kelner / für den Katzen /für so viel Meusefallen / vnd ist dir das gantze Haus feind / solchs alles bin ich frey vnd sicher in meinem armen Feldlöchlin.

In grossen Wassern fehet man grosse Fissche /Aber in kleinen wassern fehet man gute Fisschlin. Wer Reich ist hat viel Neider / Sorge / Fahr.

Quelle:
Martin Luther: Etliche Fabeln aus Esopo von D. M. Luther verdeutscht , in: Fabeln. Heidelberg 1924, S. 3–11, S. 10-11.
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