Die kluge Trine.

[215] Die Trine war Hansens Braut und war hübsch, und klug obendrein, denn sie wollte nur essen und schlafen und nicht arbeiten, welches doch ganz klug war. Aber die Leute im Dorfe hießen sie nur, »die dumme Trine,« weil sie selbst recht dumm waren, und nannten sie auch wohl, »die faule Trine.« Wir wollen aber gleich sehn, daß sie sehr klug und auch flink war.

Es war einsmals nach dem Mittagsbrot, nachdem sie ein paar Stündchen genickt hatte, daß sie mit sich selber sprach – denn sie papelte mit sich selber sehr gern, und unterhielt sich selbst, wenn sie eben nicht aß oder schlief.

Sie sprach: »was soll ich nun machen? – Soll ich nun essen oder schlafen, oder auf die Arbeit gehen? – – Ih die Arbeit wird mir nicht gleich davon laufen, und geschlafen hab ich ja schon ein paar Stündchen; so will ich denn lieber ein wenig essen!«

Und damit ging sie über den Schrank und holte sich ein halb Brodlaibchen, ein Pfundchen Speck, und ein Rothwurstchen, nicht dicker etwa als ihr eignes Aermchen, und knabbert ein bischen daran, bis Alles auf war. – Nun das war ja denn freilich nicht viel, zumal das Mittagsessen schon zwei Stündchen vor über war.[216]

Nachdem eines aufgeknabbert war, ward sie darüber müde, obschon es nicht viel gewesen war, und schlief noch ein klein Bischen ein. Als sie nun aufwachte, war sie flink auf, aber da ging es schon spät auf die Nacht. Da sprach sie: »ja, gegen die Nacht hin kann man doch nicht mehr auf die Arbeit gehen, und schlief wieder ein wenig ein.«

Einsmals hatte sie auch so ein wenig sich wieder zur Ruhe gelegt, und lag in süßen Schlaf verfallen; als der Hans kam, und sie in ihrer Kammer fand. Der nahm sein Messer, und schnitt ihr den Rock ab, bis auf die Knie.

Trinchen wachte bald darauf auf, und denkt: »nun mußt du fürwahr zur Arbeit,« und ging denn auch auf die Arbeit, aufs Feld hinaus.

Als sie nun hinaus kommen war, sah sie den gar sehr kurzen Rock, dergleichen sie ja sonst keinen hatte getragen. Da ward sie irr und erschrack sehr, und wußt nicht ob sie es selbst war, oder ob sie es nicht war, und fragt sich selbst: »bin ichs, oder bin ichs nicht?« – Aber sie wußte sich aus der Verwirrung nicht so gar gleich heraus zu finden, weil es denn doch eine gelehrte Sache war, und sie die Gelahrtheit eben nicht hatte gelernt.

Aber die Trine war doch klug und gar witzig, und dachte: »ich will mir doch schon heraus helfen.« Du willst nach Haus gehen, sprach sie zu sich selbst, und fragen, ob du es denn bist, oder nicht bist? denn die Andern werden's schon wissen, wie es ist.

So that sie denn auch!

Sie geht zurück ans Haus, klopft ans Fenster und spricht:

»Ist denn Hansens Trine drinnen?«[217]

»Ja! die wird denn wohl drinnen sein, und in ihrer Kammer schlafen!« war die Antwort, denn die Leutchen dachten, sie schliefe gewiß wieder.

»Nun da bin ich die Trine ja nicht, sagte sie vergnügt, da bin ich eine Andere, und gehöre ins Dorf nicht.«

Und somit geht sie zum Dorf hinaus, und soll heute noch wieder kommen.

Wo sie denn aber so recht eigentlich geblieben, hat man auch nicht können erfahren. Genug daß sie fort war, und daß der Hans über die Trine kein Leide trug, obwohl sie so klug war.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 215-218.
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