Hans kommt durch seine Dummheit fort:

Das Glück des Faulen und Dummen.

Ein kalmuckisches Mährlein.

[379] Vor alter Zeit lebten in einem großen Lande ein Mann mit seiner Frau; und weil das Land groß war, so hatten sie alle Beide Platz genug darin.

Der Mann hatte schlechte Eigenschaften, und wollte nur essen, trinken und schlafen, aber zu arbeiten hatte er niemals Lust, und die Frau mußte alles allein verrichten. Weil aber Zweie essen und trinken wollten, aber nur Eins arbeitete, so konnte das Wesen nur so lange dauern, als das ererbte Vermögen des Mannes vorhielt. Nachmals kam der Mangel ins Haus, den man daran ersahe, daß man Nichts sahe.

Einst sprach da die Frau zum Mann: »Du Faulsack! Durch dein schlechtes Leben hast du all dein großes Vermögen durchgebracht. Es ist hohe Zeit, daß du auch etwas thust. Steh doch auf vom Lager, und während ich auf dem Felde bin, gehe hinaus und schaue umher.«[380]

»Wenn's eben nicht mehr ist, dachte der Mann; das will ich denn wohl noch machen können;« und so stieg er denn des Tags ein paarmal vom Lager auf, und sahe nach allen Gegenden umher. Das that er gewöhnlich alsdann, wenn er ohnedieß nicht mehr schlafen konnte.

Einstmals schauete er auch so ein wenig umher und sah hinter der Pagode (Götzentempel) Leute mit Heerden und Lastvieh vorbeiziehen. Die Leute waren fort, aber dagegen häuften sich auf einem Platze, Füchse und Hunde und Vögel mit großem Gelärme zusammen.

Der Mann hätte nicht nöthig gehabt zum Platze hinzugehen, denn die Frau hatte ihm ja nur geheißen ein wenig umherzuschauen, nicht aber zu gehen. Indessen ging er doch hin, weil er gern wissen wollte, was es dort gäbe, obwohl die Neugier sein Fehler sonst gar nicht war. Hatte er zu essen und zu trinken vollauf, so ging ihm die ganze Welt weiter nichts an. Dasmal ging er aus Langeweile doch hin.

Als er hinkam fand er einen Darm (ledernen Schlauch) mit Butter gefüllt, den nahm er, obwohl es doch Mühe machte, denselben aufzuheben, und er sich darnach bücken mußte, und legte ihn daheim auf ein Gestelle.

Als die Frau nun vom Felde zurückkam, wurde sie den Darm mit Butter gewahr, und fragte: »Wo ist dieser Darm mit Butter gefunden?« Der Mann antwortete: »Ich schauete ein wenig umher, da hab ich den Darm denn gefunden, und hab ihn auch mitgenommen.« Die Frau sprach hierauf: »Wer immer zu Hause auf dem Lager bleibt, findet nichts. Du bist nur einige Tage daher ein paar Augenblicke ausgegangen, und hast schon so viel gefunden!«

Da fuhr ein besonderer Geist in den Mann, zumal weil der Butterdarm ihm gar sehr gefiel, und er sprach zu der Frau: »So[381] schaff mir denn ein Pferd und Kleider und einen Leithund, damit ich umherziehen und suchen kann.«

Die Frau schaffte ihm, was er verlangt hatte, und der Mann nahm seinen Bogen, setzte sich zu Pferde, zog den Hund am Leitseil hinter sich her, und ritt auf gut Glück in die Welt hinein.

Schon war er über mehrere Flüsse gekommen, als er einen Fuchs ansichtig wurde, den er verfolgte, weil der Fuchspelz eine schöne Mütze für seine Frau gäbe. Der Fuchs flüchtete aber in eine Höhle. Da legte der Mann seine Kleider nebst Bogen und Pfeil auf den Sattel des Pferdes, und an den Zaum des Pferdes band er den Leithund, dann nahm er die Mütze und bedeckte damit den Eingang der Höhle und wollte den Fuchs in die Mütze treiben und darin fangen. Der Fuchs blieb aber im Loche. Da ergriff er einen Stein und schlug damit oben auf die Höhle. Da fuhr der Fuchs aus der Höhle heraus, die Mütze kam auf den Kopf des Fuchses, der damit in vollem Rennen davon lief. Das Pferd erschrak vor dem bemützten Thiere, der Leithund aber erschrak nicht mit, denn er roch schon, daß es ein Fuchs war und wollte den Fuchs verfolgen. Somit liefen denn Pferd und Leithund davon, und waren in ein Paar Augenblicken dem Manne aus den Augen. Er suchte sie zwar, aber er fand sie nicht, und blieb zurück ohne Pferd und Hund, ohne Bogen und Pfeil, ohne Mantel und Mütze und ohne alle Bedeckung des Körpers.

Wo sollte der jämmerliche Mann nun hin? Nach Hause getraute er sich nicht, aus Furcht vor der Frau. – So zog er denn weiter und immer weiter, bis er in das Land eines mächtigen Khans oder Fürsten kam. Wer aber wissen will, wie er sich bis dahin hat durchgeholfen, der muß ihn selbst darum fragen, denn darüber kann ich Niemand berichten, indem der Mann es mir nicht gesagt hat.

Weil er sich schämte, verkroch er sich in einen der Ställe des Khans und zwar, weil er doch in kein Mauselöch ging, in einen[382] großen Heuhaufen hinein, so tief hinein, daß nur die beiden Augen hervorsahen.

Nicht lange nachdem er sich verkrochen, lustwandelte die Gemahlin des Khans zwischen den Ställen und Viehhöfen hin und her, denn das sind dort die Alleen. Sie trug am Leibe den Wunderstein oder Talisman, auf welchen das Heil des ganzen Reichs ankam, aber sie verlor ihn, und der Mann im Heu sahe das wohl, kam aber aus dem Heu nicht hervor, um es anzusagen. Die Khanin ging nach dem Palaste zurück und vermißte den Stein nicht – das machte, sie war eine hohe Person. Der Stein wurde aber mit Viehdünger und anderm Unrath auf einen großen Misthaufen geworfen, und kein Mensch merkte es. Der aber im Heuhaufen saß, hatte es wohl gemerkt, aber er blieb stumm und sagte kein Wort.

Am andern Morgen wurde der Wunderstein denn doch vermißt. Da war große Noth am Hofe, und die Zauberer und Wahrsager, Seher und Zeichendeuter mußten allesammt herbei, und unter Paukenschlag wurde dem Volke verkündet: »Der Wunderstein, der Schutz und Schirm des Reichs, sei abhanden gekommen, und wer ihn wiederbringen könne, solle viel Pferde und Kühe und Kameele und Schaafe bekommen, (welche dort, wo man das Geld nicht kannte, fast den einzigen Reichthum ausmachten). Aber Niemand von den Zauberern wußte, wo der Wunderstein hingekommen war, und was sie nicht wußten, das sagten sie denn auch nicht, – so weise waren sie schon. Wo der Stein aber sein könnte, das wußten sie wohl, und das sagten sie auch; nämlich er könnte da und er könnte dort vielleicht sein. Freilich konnte er überall sein, nur war er nicht da und nicht dort, sondern ganz wo anders. Aber der es wußte, der sagte es anfangs gar nicht.«

Es gab ein so großes Rennen und Laufen und Hin- und Herfragen um den Wunderstein, daß selbst der Mann im Heu am Ende aufhorchte, und so viel hörte, daß er zuletzt auch sahe, worauf es[383] ankäme. Da erhob er sich mit halbem Leibe aus dem Haufen, bis ihn Jemand erblickte und ihn fragte: »Wer bist Du?«

»Ich bin ein Zauberer,« antwortete der Mann.

»Nun so gehe zum Khan, hieß es da. Der Wunderstein des Reichs ist verloren gegangen, und alle weise Leute haben ihn nicht wieder können herbeischaffen. Siehe, ob es dir gelingt; der Khan will es reichlich vergelten.«

»Ja! den will ich gewiß schaffen, sagte der Mann, der alle Stunden klüger und listiger wurde, obwohl er so dumm blieb als zuvor; den will ich gewiß schaffen, nur kann ich mir keine Kleider schaffen, das geht über meine Kunst, und darum bin ich nackt; und Essen kann ich mir auch nicht schaffen und bin sehr hungrig.«

Dem Khan wurde gesagt, es liege ein nackter Zauberer im Heuhaufen, der gewiß ein sehr weiser Mann sei und den Stein zu schaffen versprochen habe. Da bekam der Mann Kleidung und Essen und wurde vor den Khan geführt.

»Was bedarfst du zum Zauberwerk?« fragte der Khan.

»Ich bedarf eines Schweinkopfs, fünf fünffarbiger Tücher und eines großen Balings1 war die Antwort. – Dessen bedarf ich.«

Was er bedurfte bekam er, und stellt darauf den Schweinskopf mit den fünffarbigen Tüchern geschmückt an einen Baum und der Baling wird daneben befestigt. Der Mann aber saß drei Nachtzeiten in sinnender Betrachtung am Baume.

Am festgesetzten Tage versammelte sich das Volk, und der Zauberer legte das lange weite Gewand, die Durga, um, welche auch zum Zauberwerk gehörte.[384]

Als das Volk beisammen war, nahm der Zauberer den Schweinskopf und schwenkte ihn nach dem Volke zu dahin und dorthin, und sprach: »Da ist er nicht, und dort ist er auch nicht.«

Da wurden die Leute sehr froh, weil keiner unter ihnen den Wunderstein verheimlicht hatte.

»Nun! sprach der Zauberer, da der Stein unter den ehrlichen Leuten nicht ist, so wollen wir ihn denn wohl anderwärts finden.«

Hierauf zog er singend nach dem Palaste des Khans, der ihm, mit seinen Begleitern im feierlichen Gesange mitsingend, nachfolgte.

Als nun der Zauberer zum Misthaufen kam, blieb er stehen, und das Volk blieb mit ihm stehen.

Der Zauberer nahm eine seltsame Miene an, sahe den Misthaufen an, schauete starr auf eine einzige Stelle und sprach, indem er auf die Stelle zeigte: »Hier muß der Stein liegen!«

Da lag denn der Stein wahrhaftig.

»O! großer Zauberer! großer, größester Zauberer!« schrie das Volk und der Khan und sein Hof schrien am lautesten.

»O du großer und weiser Mann, sprach der Khan, sag' an, womit ich dich lohnen kann; du sollst es Alles empfangen!«

Der Zauberer dachte blos an seine verlornen Sachen und sprach: »Wenn ich ein Pferd habe mit Sattel und Zeug, Rock mit Mantel und Mütze, Bogen und Pfeil, einen Leithund und noch dazu einen Fuchs, so bin ich zufrieden.«

Der Khan sprach: »Das ist ein seltsamer Mann, der nur so wenig fordert,« und befahl, man solle ihm alles geben, was er verlange, und noch zwei Elephanten dazu mit Fleisch und Butter beladen.

Mit solchen Gütern zog der Mann fort und kam nach Hause zu seiner Frau.[385]

Die Frau hatte ihn schon von ferne bemerkt, und wenn sie auch ihn nicht bemerkt gehabt hätte, hätte sie doch die beiden belasteten Elephanten bemerkt, denn für solche Dinge hatte sie Falkenaugen.

Sie kam ihm nahe bei der Wohnung mit erquickendem Trank der Götter, mit Branntwein2, entgegen und umhalsete ihn und küßte ihn und sprach: »Mann! du glücklicher Mann! Wie hast du so schöne Kleider an? und wie hast du die Elephanten mit so vielem Fleisch und Butter erlangt?«

Der Mann erzählte, wie Alles gegangen sei, recht umständlich, und wußte sich mit seiner Weisheit nicht wenig; aber die Frau sagte:

»Du erbärmlicher Pinsel! Nicht mehr hast du gefordert? – Morgen geh ich mit einem Schreiben an den Khan.«

Die Frau, welche wohl eine Gelehrte sein mochte, und wenn auch nicht, wie unsere Damen, eine Schriftstellerin, doch eine Briefstellerin, schrieb den Brief mit folgenden Worten, im Namen des Mannes also:

»Weil mir bewußt war, daß der verlorne Wunderstein beim Khan ein großes Uebel würde zurücklassen, so hab ich das Pferd nebst dem Hunde und Fuchse verlangt. Was mir aber der Khan zu meiner Belohnung will senden, das steht noch in seinem Belieben.«

So weise Worte ließen das Herz des weisen Khans nicht ungerührt; und er sandte dem Zauberer die kostbarsten Dinge. Dieser aber lebte von nun an mit seiner Frau recht ruhig und vergnügt, und verlangte in der Welt Gottes nichts weiter, denn er dachte, er hätte genug. Er aber sollte noch vielmehr haben, indem das Glück[386] der Vormund der Dummen ist. So brauchte er denn den Verstand gar nicht und Arbeitsamkeit auch nicht, sondern, wie Viele, nur die einzige Kunst, das Glück auf seiner Seite zu haben.

In einem benachbarten Lande hatte ein Khan sieben Söhne, die waren in einem Walde lustwandeln gegangen. Da kam ein herrliches Mächen daher mit einem Büffel. Der älteste Sohn fragt: »Mädchen, wer bist du? – Und was machst du mit dem Büffel?«

Sie aber sprach: »Ich bin die Tochter eines Khans und reise umher, die Welt zu besehen, und der Büffel muß mich begleiten, denn ich reite auf ihm, wenn ich müde bin.« – Das Mädchen aber und der Büffel waren zwei böse Geister, Mangusch genannt, und waren ausgezogen, Menschen auszusaugen und zu verderben.

Die Söhne des Khans allzumal hatten keine Frau. Da sprach der älteste: »Mädchen! willst du mich freien?« – Sie antwortete: »Wenn ich dir hübsch genug bin, will ich dich freien.« – Hübsch genug war sie ihm aber, und also freiten sie sich denn.

In kurzer Zeit aber starb der älteste Sohn des Khans, und die fünf andern Khanssöhne heiratheten das Weib alle nach einander und starben auch alle nach einander, denn das Leben wurde ihnen von der Mangusch ausgesogen. Und als sie der jüngste Sohn des Khans geheirathet hatte, wurde auch dieser sehr krank, und der alte Khan gerieth in große Sorge und Noth, weil der junge Khan nur noch sein einziger Erbe und Thronfolger war.

Die Hohen und Weisen am Hofe wußten keinen Rath mehr. »Wir haben, sagten sie, bei der Krankheit der Khanskinder das Beste gerathen, was wir nur wußten, und es hat nichts geholfen, denn alle sechs sind gestorben. Wir wissen nichts weiter zu rathen. Aber zwei Gebirge von uns wohnt ja der gewaltige Zauberer, der den Wunderstein wieder herbeigebracht hat; den laßt uns holen.«

Es wurden vier reitende Boten zu ihm gesendet, die sagten ihm an, was sie begehrten. »Eine Nacht muß ich mich bedenken, sagte[387] der Zauberer zu den Boten, und morgen sollt Ihr Bescheid haben, was hier zu thun ist.«

Er erzählte während der Nacht seiner Frau den Vorgang. »O weh! sagte die Frau. Bisher warst du der wundervolle Zauberer, nun aber ist es mit deinem Wissen zu Ende. Doch zu reisen bist du gezwungen.«

Am andern Morgen sprach der Zauberer zu den Boten: »Mir ist im Traum ein glückliches Zeichen geworden. Wir reisen noch heute.«

Er that sein langes Gewand um, band seine Haare auf dem Scheitel zusammen, nahm den Rosenkranz3 in die linke Hand und in der rechten hielt er den Schweinskopf mit den fünf fünffarbigen Tüchern.

So kam er zu der Wohnung des Khans. Die beiden Mangusch aber hatten ihn schon im voraus gar sehr gefürchtet, denn sie hatten von der Gewalt des Wundermanns so Vieles gehört und sahen ihn nun in diesem Zauberaufzug, und dachten, er hat ganz das Ansehen und die Gebehrde eines wissenden Mannes.

Der Zauberer trat zu dem kranken Khan ein, stellte einen Baling auf das Kissen seines Lagers und den Schweinskopf zu den Füßen desselben. Darüber gerieth des Khans Frau in gewaltige Angst und vergaß die Seele des Kranken zu ängsten und schlüpfte zur Thüre hinaus. Hierauf ließ die Krankheit sogleich etwas nach, und der Khan fiel in einen festen, stärkenden und tiefen Schlaf, so daß man auch den Athem nicht hörte.

Da wurde es aber dem Zauberer sehr bange und er sprach: »Die Krankheit ist schlimmer geworden.« Und als er nun rief: »Khan![388] Khan!« und dieser keinen Laut von sich gab, so glaubte er, der Kranke sei verschieden, ihm aber würde es übel ergehen. Da nahm er den Schweinskopf und wollte durch die Thüre sich retten. Weil es aber schon dunkele Nacht war, so kam er in die Geldkammer. Da rief es: »Diebe! Diebe!« – Er entfloh und kam in die Geschirrkammer. Da rief es: »Greifet den Dieb!« So gings in noch manche Kammer und überall rief es: »Diebe! Diebe! und – greifet, haltet den Dieb!« Da lief er vor Angst in den Stall, um am andern Morgen zu entweichen.

In dem Stalle lag ihm aber ein Büffel im Wege und lag so müde da, als hätte er eine weite, weite Reise gemacht. Der Büffel aber war der andere Mangusch. Der Zauberer nahm den Schweinskopf und schlug den Büffel damit zwischen die Hörner. Da sprang der Büffel zitternd auf und entfloh eilends.

Der Zauberer schlich dem Büffel nach, und hörte, daß dieser zur Frau des kranken Khans sprach: »Der Zauberer weiß Alles! Er wußte, daß ich im Stalle lag und hat mir mit seinem schrecklichen Zeichen drei gewaltige Schläge gegeben! Wie wird es uns ergehen!« – Ach! antwortete sie, mir ist sehr bange! Schlimm, sehr schlimm wird es uns gehen! Morgen läßt er die Männer versammeln mit Wehr und Waffen, und zu den Weibern spricht er: »Schafft Brennmittel herbei!« Dann sagt er: »Führt den Büffel herbei; und wenn du erschienen bist, so schlägt er dich mit seinem Zeichen, und weil alles Sträuben nicht hilft, so mußt du deinen angenommenen Körper ablegen und deine wahre Gestalt annehmen. Dann wird das Volk mit Schwertern und Spießen über dich herfallen, dich erst tödten, und dann auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Hierauf läßt er mich auch herbeiführen und es wird mir nicht besser ergehen. O ich fürchte mich sehr!«

»So? sagte der Zauberer, nachdem er Alles gehört hatte; so ist es? Da ist ja die Sache ganz leicht gethan!«[389]

Jetzt ging er mit dem Schweinskopf zum Kranken und stellte den Baling auf, und nachdem er seine Zauberworte gemurmelt hatte, fragte er, wie sich der Kranke befände? Da hieß es, der sei seit der Ankunft des Zauberers in einen stärkenden Schlummer verfallen und befinde sich nun viel besser.

»Nun! sprach der Zauberer, so lasset morgen das sämmtliche Volk sich versammeln und die Weiber zu zwei Scheiterhaufen Brennholz mitbringen.«

So geschahe es. Als nun am andern Morgen die Scheiterhaufen aufgebauet waren und der Büffel war vorgeführt worden, legte der Zauberer seinen Sattel auf den Büffel und reitet ihn dreimal im Kreise herum, murmelt Zauberworte und schlägt den Büffel dreimal mit dem Schweinskopf und spricht: »Leg deinen Körper ab und nimm deine wahre Gestalt an.«

Mit diesen Worten war der Büffel in einen greulichen Mangusch verwandelt. Seine Augen trieften von Blut, seine Nasenlöcher dampften von giftigem Qualm und die häßliche Zunge hing weit zum Maule heraus; seine gekrümmten Unterhauer (Zähne) reichten bis zu der Brust und die Oberhauer bis über die Stirne. So gräßlich sahe das Unthier aus, welches nun von dem ganzen Volke angefallen und getödtet wurde. Dann wurde es in Stücke zerhackt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Jetzt wurde die Khanin auch herbeigeführt und kam mit lautem Geschrei, und es erging ihr, wie dem Büffel. Sie könnte gegen die Macht des Schweinskopfs nicht bestehen und mußte ihre schöne Gestalt ablegen und wurde zum häßlichsten weiblichen Mangusch, der auch getödtet und zerhackt und verbrannt wurde.

Der Zauberer bestieg nun sein Pferd, um nach dem Hofe des Khans zu reiten, dessen Prinz nun völlig wieder gesund war, aber er kam erst am dritten Tage an den Hof, denn das Volk ließ ihn nicht von sich. Es pries das Lob des großen Zauberers; es verbeugte[390] sich tief vor ihm; es gab ihm viele Geschenke; es streuete nach der Landessitte Getreidekörner über ihn, (denn Blumenbekränzung kannten sie nicht) und überall mußte er einkehren und sich mit dem Besten bewirthen lassen.

Als nun am dritten Tage der Zauberer zu dem Palaste kam, sprach der Khan zu ihm: »Wie kann ich nun wohl dich lohnen?«

Der Zauberer sprach: »In unserm Lande sind wenig Nasenhölzer, die wir den Ochsen durch die Nasenknorpel ziehen könnten, um sie damit zu lenken. Gib mir dergleichen Hölzer.«

So sprach er. Der Khan aber dachte, wenn der Mann nicht so gewaltig weise wäre, so würde ich ihn erzdumm halten, so schlechtes Ding fordert er für so großes Werk. Er ließ ihm aber drei Säcke mit Nasenhölzern geben und noch sieben Elephanten dazu, beladen mit Fleisch und Butter. Damit kehrte der Mann nach Hause zurück.

Nahe bei seiner Wohnung kam ihm die Frau mit Brantwein entgegen, und als sie die Elephanten sahe, sprach sie: »Jetzt bist du ein wackerer Mann geworden!« Und als sie ins Haus gegangen waren, fragte die Frau: »Wie bist du zu so großen Geschenken und Gütern gekommen?«

Der Mann antwortete: »Ich habe den Khanprinz gesund gemacht und zwei böse Mangusch verbrannt, die ihn krank machten, und habe mir Nasenhölzer zum Geschenk geben lassen, und die Elephanten gab mir der Khan noch zu.«

»O du erbärmlicher Tropf! rief die Frau, für so große Verrichtung hast du nichts weiter gefordert als Nasenhölzer – Wie dumm!«

Sie nasete ihn um der Nasenhölzer willen entsetzlich, und der Mann wußte gar nichts zu sagen.[391]

Die Frau schrieb einen Brief an den Khan, als wäre er von ihrem Manne geschrieben, und trug denselben zum Khan hin. Der Brief aber lautete also:

»Weil dem Zauberer bewußt war, daß von dem großen Uebel des Khanssohns ein kleineres Uebel zurückbleiben würde, hat er die Nasenhölzer gefordert. Was aber der Khan dem Zauberer zur Belohnung will geben, das stehet in seinem Belieben.«

Der Khan, ein weiser Herr, sprach: »Der wissende Mann hat recht! Mein Prinz wäre ohne ihn gestorben, und das Reich wäre zu Grunde gegangen. Meine Räthe und Diener und am Ende ich selbst hätten den beiden Mangusch gewiß zur Speise gedient.«

So sprach der Khan und sandte dem wissenden Manne Elephanten, Kameele und Tragochsen in Menge, alle beladen mit kostbaren Geschenken.

Der Mann aber mit dem Schweinskopfe konnte nun essen und trinken und schlafen aus all seinen Kräften sein Lebelang. Aber das that er denn auch!


Also aber wie hier, geht es nicht allein in der Kalmuckei zu, sondern auch bei uns, wie Ihr so straks an dem Doktor Allwissend sollt abnehmen.

1

Ein heilig gehaltenes Bild von Teig, meistens in Gestalt einer Pyramide. (Die Pyramidenform scheint der alten Zeit des Morgenlandes sehr eigen).

2

Die Kalmücken machen ihren Brantwein aus Stutenmilch, seltener aus Kuhmilch. Sie nennen dieses Getränk, welches sie sehr lieben, Kymiß.

3

Er ist erst aus dem Morgenlande zu uns gekommen. Schweinsköpfe aber waren schon vorher in Menge da.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 379-392.
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