Wetterleuchten

[129] Blutigrote Feuergarben

Lohten auf am Himmelsrand,

Zuckten, flammten und erstarben

Hinter grauer Wetterwand.


Langsam kochte das Gewitter –

Heute ward das Wetter reif,

Blitz und Donner – und in Splitter

Flogen Eichen, stolz und steif.


Schlimmre Wetter seh' ich lohen

Unter der Gesellschaft Fuß,

Durch gedankenlosen, frohen

Maskentanz wie Todesgruß.


Wetterleuchten, da und drüben,

Arbeitsausstand, Straßenschlacht,

Darwinismussturmgetrieben

Sich der Weltenbrand entfacht.


Millionen Hände ballen

Sich nach oben grausenhaft,[129]

Millionen Finger krallen

Fest sich um den Messerschaft.


Blitz und Donner – auf die Tausend

Stürzt das Millionentier,

Geller Angstschrei, sterbensgrausend,

Hungerschrei voll Wut und Gier.


Zähneknirschendes Entthronen

Heulend durch die Länder zieht:

»Den Millionen die Millionen!«

Heißt das wilde Zukunftslied.


Münster 1890


Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 129-130.
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