[307] ADOLPHUS.
Gott sägne dich / ach thrüwer heer
billich klag ich den todten seer[307]
Von dem ich so vil gůts empfangen
ach wie ists mir so übel gangen
Ach wem klag ich min leid und schmertz
ach mordt mir ist betrübt min hertz
Ach läg ich by dir in dem grab
dann ich kein fröüd meer zläben hab.
EUBULUS / SYN FRÜND.
Wär ist der man der also thůt
ich gsen im an er hat kein můt
Was mag im syn / was lyt im an
kein wort ich nit verstanden han
Dann äben nun den widerhal
ADOLPHUS.
ach leid und kummer ach unfal
Ich kan mins leids vergässen nit
EUBULUS.
zwar mir die stimm ein schräcken git
Es ist min fründ was manglet im
ich han nit růw biß ichs vernim.
Pausando.
Adolphe fründ / mich wundert fast
was du hie für ein klag gfürt hast
Wär ist der man / was duret dich?
ich bitt deß wöllist bscheiden mich.
ADOLPHUS.
Min klag und weinen ist umbsuß
mich rüwt min herr Philostorgus.
EUBULUS.
Wän meinst? den Fryherren der stat?
den armen so vil gůts than hat.[308]
ADOLPHUS.
Ja grad den selben den ich klag
er ist hüt umb den mitten tag
Vom läben zů den todten gangen
ach / von dem ich vil gůts empfangen
Du weist ich hab nüt dann vil kind
zwölffe die nit erzogen sind
Zů dem das ich nit wercken kan
hett müssen hunger mangel han
Wo nit wär gsyn Philostorgus
der hat mir alltag gen umb sus
Das wir uns möchtind bringen hin
am hag ich aber yetz gar bin
Sin todt hat mir min hoffnung gnommen
von syner bgrept bin ich erst kommen.
EUBULUS.
Ach Gott ach Gott was hören ich
min lieber fründ du durest mich
Es ist dir zwaren übel gangen
wer weißt sin sun wirdts dir auch langen.
ADOLPHUS.
Sin sun? ach nein kein haller nit
kein suren drunck er niemand git
Er bladt sich nit / ja keiner armen
das mich dann übel thůt erbarmen
Er dörfft eim bůben hencken an
daruß ich zwey jar huß wölt han
Ja den er vor nie gsehen hat
deren sind vil in diser statt
Die er erhalt ja rüwt in nüt
an sölche schälck und bůben lüt
Darnäben käm ein armer man
der in spräch umb sAllmůsen an
Er dörfft in der maß richten uß
das er hett zeng im wyten huß
Darumb kein gůts ich von im hoffen
ich hab ein böse stund hütt troffen.[309]
EUBULUS.
Wolan fründ Gott wirdt dich nit lassen
dargegen die untrüwen hassen
Läbt dann der sun wie du hast gseit
so wirdts von Gott im nit vertreit
Er ist yetz lecht / sunst kümmerhafft
byn kümmerten man wenig schafft.
ADOLPHUS.
Als yetzt der vatter im todt bett
zum letsten mit im ernstlich redt
Empfolhet im die armen lüt
aber inn summa nüt ist nüt
Kein tropffen im von augen gieng
kein truren er ouch nit embfieng
Als ob er in nüt anghört hett
wie kranck der vatter lag im bett
Drumb ich kein hoffnung zů im hab
bin deßhalb gricht an bettelstab.
EUBULUS.
Was thůchs ist das so du hie treist?
ADOLPHUS.
nüt anders fründ vorhin du weist
Es ist byn Rychen gsyn allwegen
so man die pflägt ins grab zů trägen
Hat man ein thůch vom thůchman gnon
gantz schwartz das über dbor mocht gan
Das dann annzeigt hatt grosses leid
demnach ward disers thůch old kleid
Etwan eim frommen armen gäben
eim / dems dann ward vermacht im läben
Also hab ichs auch überkommen
hab leider hiemit dletze gnommen
Wiewol ichs thůch nit selb mag bhan
ich můß den kinden zessen han
Und můß deßhalben das verkauffen
old kind verlan zum thor ußlauffen.[310]
EUBULUS.
Wolan min fründ kum mit mir hein
als was ich hab sy dir ouch gmein
Ee ich dir wölle mangel lan
ich wil ee mit dir bättlen gan
Villicht die Herrschafft etwas thůt
so die vernimpt din groß armůt
Sy laßt dich nit wie alle die
so mit armůt beschwärt sind hie.
ADOLPHUS.
Wolan myn fründ ich bin bereit
Gott danck dir trüw und fründtligkeit.
[311] Musica.
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