2.

[169] In Eiderstede bei Witzwort liegt ein schöner Hauberg (so heißen da die Bauernhöfe, die auf Wurten liegen), darin ist eine große Loh; an der Tür davor sind zwei Drescher abgebildet. Der eine ist sehr groß und stark, der andere klein und hat einen schwarzen Rock an. Unter dem Großen steht der Spruch:


Ich bin der Mann,

Der dreschen kann;


unter dem Kleinen aber: »Ich kann auch wohl dreschen, wenn es nur Arbeit lohnen soll.« Man erzählt darüber folgende Geschichte.

Es war einst in jenem Dorfe ein so großer und starker Mann, daß keiner das Dreschen mit ihm aushalten konnte; denn alle seine Macker drosch er zu Tode. Es wollte am Ende keiner mehr es mit ihm aufnehmen; und wenn er einmal auf den Markt kam und sich einen neuen Helfer suchen wollte, sagte ihm jeder: »Mit dir mag der Teufel selbst nicht dreschen.« Als er nun einmal wieder auf dem Markte war, trat ein klein schwarz Männlein an ihn heran und fragte: »Bist du der Mann, der dreschen kann?« »Ja, ich bin der Mann, der dreschen kann«, antwortete der Große, und der Kleine sprach: »Ich kann auch wohl dreschen, wenn es nur Arbeit lohnen soll; willst du's einmal mit mir versuchen und mich zum Macker haben?« »Komm nur mit«, sagte der Große, »ich habe schon andere Gesellen gehabt und sie alle totgemacht; aber du siehst doch wohl darnach aus, daß du dreschen kannst.« Der Kleine entgegnete: »So schnell geht's noch nicht; morgen will ich kommen; ich muß erst meinen Flegel holen.« Aber der Große meinte, daß das nur Ausflüchte wären und der Kleine sich fürchtete, er sagte darum: »Einen Flegel will ich dir wohl leihen.« Doch der Kleine war damit nicht zufrieden: »Ich[169] muß durchaus meinen eignen haben«, sagte er. »So will ich den Knecht darnach schicken«, sagte der Große. »Dann muß er einen Wagen nehmen; tragen kann er ihn nicht.« Der Große lachte, schickte aber doch einen Wagen hin. Als der Knecht zurückkam, mußte man ihm abladen helfen, denn der Flegel war ganz von Eisen. »Frau«, sagte der Kleine nun zu der Bäuerin, »die Teller, Grapen und Pfannen mußt du herunter nehmen«. Die Frau aber lachte ihn aus. »So will ich keine Schuld haben, wenn Unglück passiert«, sagte er, und nun ward alles Korn auf die Loh geworfen. Da tat der Kleine den ersten Schlag und die Teller und Grapen und Pfannen stürzten von den Borden und alles, was da war. Der Große entsetzte sich, aber wollte sich nicht geben, sondern sie droschen in die Wette Schlag um Schlag, die Loh hinunter und hin auf, bis sie ganz in Grund und Boden geschlagen war. Da strengte sich der Große übermäßig an, und schlug rascher zu und der Kleine folgte immer rascher und schneller, und das trieben sie so lange, bis der Große tot niederstürzte. – Darnach ist das Bild zum Andenken gemalt worden.


Mündlich. – Herr Kandidat Arndt teilte auch dies Stück mit, und zwar mit einem Anhange. Der Kleine geht nun auf den Markt und sucht sich einen neuen Macker, findet den armen Mann und es folgt die erste schon mitgeteilte Sage, nur verstümmelt und unvollständig. Nachdem sie ihren Lohn bezahlt erhalten haben, geht der Arme nach Hause. Unterwegs verspricht ihm der Kleine viel Geld, wenn er das haben solle, was ihnen zuerst vor seinem Hause begegne. Dem Armen fällt zur rechten Zeit noch seine schwangere Frau ein, er pfeift und sein Hund wird des Teufels Beute, der ihm das Genick umdreht und mit einem Stank verschwindet; die Frau aber ist gerettet.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 169-170.
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