Herbst

[270] Und nun: der Wind geht hohl und schwer,

in weißen Wogen schäumt das Meer –

nun ist der Herbst gekommen

und hat vom Feld den Morgentau

und hat das letzte Stückchen Blau

vom Himmel weggenommen.


Und nun fahr hin! – Es rauscht und zieht

durch dunkle Luft ein dunkles Lied;

ich mag nicht ruhn und träumen.

Ich liege wach die ganze Nacht

und horche auf die heiße Schlacht,

das Stöhnen in den Bäumen.
[270]

Und nun fahr hin. Das war ein Jahr,

so früchtereif, so freudenklar . . .

nun laß die Blätter treiben.

Fahr hin! Die Saat von deiner Hand,

die Ernte, die in Halmen stand,

muß doch mein eigen bleiben.


Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 270-271.
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