[24] Elvire. Jerta.
ELVIRE beunruhigt.
Jerta, was bedeutet das?
JERTA nachdem ihr Auge einige Sekunden auf Elviren geruht.
Ein Besuch aus einem Lande,
Wo mein Bruder lang' gelebt,
Und sein Weib sich hergeholet,
Wird ihn weniger befremden,
Als er euch zu ängst'gen scheint.
ELVIRE.
Ich gesteh's, mir ist die Brust
Wie mit einem Stein beladen.
JERTA.
Ob, und was zu fürchten ist,
Kann allein Elvire wissen;
Ich weiß Eins nur.
ELVIRE.
Eins? und was?[25]
JERTA.
Daß aus Spanien wenig Gutes
Noch für Hugo ist gekommen,
Ob ihr schon das Land so rühmet.
ELVIRE.
Wie soll ich die Rede deuten?
JERTA.
Aufgewachsen hoch im Norden,
Grad und stolz wie unsre Tannen,
(Obwohl anderwärts geboren)
Schien er früh schon auserkohren
Zu der Zierde nord'scher Mannen.
Offen, wie des Himmels Blau,
Lag in seinem Blick die Seele
Fremdem Auge da zur Schau,
Freundlich, fest und ohne Fehle.
Männer priesen laut den Krieger,
Stark, zu halten einen Thron;
Jungfrau'n, ihm die Myrthenkron'
Flechtend im verschwiegnen Busen,
Seufzten heimlich nach dem Sieger.[26]
ELVIRE begeistert.
Ja, so war er anzuschauen,
Fremd, ein neuer Gott der Musen,
In des Ebro goldnen Auen.
So – so gab er Lust für Ruh! –
O, wie feurig führest du
Die Vertheidigung meiner Triebe –
Feurig, wie ich d'rum dich liebe!
Sie umarmt Jerta.
JERTA ernst.
Ihr thut übel d'ran, denn wißt:
Wir sind Nebenbuhlerinnen.
ELVIRE verwundert.
Schwester!
JERTA.
Hugo, sorg' ich, ist
Nur der Abgott eurer Sinnen.
Innig.
Ich – ich lieb' ihn, Seel' um Seele,
Wie man droben liebt im Licht!
Daß zu eurem Glück nichts fehle,
Habt ihr an euch ihn gerissen;[27]
Ich will ihn, ihn glücklich wissen,
Und ich fürcht', er ist es nicht.
ELVIRE.
Wie? nicht glücklich? – Er ist mein!
Liebt er mich, so muß er's seyn.
JERTA mit einem wehmüthigen Lächeln und verneinender Kopfbewegung.
Singend zieht der weiße Schwan,
In der Brust den tiefen Frieden,
Wenn der Winter kommt, nach Süden,
Durch der Lüfte freie Bahn;
Und mit glänzendem Gefieder,
Singend, wie er ist geschieden,
Kehrt er aus der Fremde wieder.
Nicht so Hugo. – Fortgezogen
Ist er auf dem Segelkahn,
Durch das Reich der blauen Wogen,
Heiter, wie der weiße Schwan,
Kräftig, wie der junge Aar;
Aber was er scheidend war,
Ist nicht wieder heimgekehrt[28]
Zu dem väterlichen Herd.
Wie in eurem Busen, rasen
Stürme wilder Leidenschaft
In dem seinigen, und blasen
Aus die Fackel seiner Kraft.
Seine fest verschloß'ne Brust,
Bei dem Drang nach wilder Lust;
Seine scheuen, düstern Blicke,
Die, wenn sie in eure sehn,
Glut in Gluten untergehn –
Ach – sie zeugen nicht von Glücke!
Glück ist ohne Frieden nicht.
ELVIRE.
Eine Wahrheit, die ich fühle
Tief im stets bewegten Blut.
Kannst du es, wohlan, so kühle,
Reine Seele, unsre Glut!
Oder – schweig, und laß gewähren,
Laß sich Flamm' in Flamme verzehren!
Sie will ab, Kolbert tritt ihr entgegen.
Was – was ist's?
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