[32] Holm. Die Vorigen.
HOLM.
Gnäd'ge Frauen,
Ich soll höflich euch vermelden,
Daß ich heim bin, und der Herr.
ELVIRE.
Wo?
HOLM.
Er geht nach seinen Zimmern.
ELVIRE.
Nicht zu mir?
HOLM.
Er kann sich so,
Wie er ist, nicht sehen lassen,
Voller Blut!
ELVIRE bestürzt.
Um Gotteswillen!
Hugo blutet?[33]
HOLM.
Nein, 's ist Schweiß
Eines Ebers, wie sie's nennen.
Elvire geht beruhigt in den Vorgrund, Holm folgt ihr einige Schritte.
Ja, das hätt' ich euch gewünscht,
Daß ihr's hättet sehen können.
JERTA.
Was?
HOLM zu Jerta gewandt.
Den Herrn und diesen Keiler.
Unser Haro fand die Spur;
»'s ist noch zeitig,« sagt' er, nämlich
Der Herr Graf – es war fünf Uhr –
Und so ging's in Gottes Namen,
Ohne Büchs' und ohne Horn,
Die der Herr schon abgegeben,
Waldwärts über Stock und Dorn.
Ungefähr nach einer Stunde
Kriegten wir den Burschen auf.
»Hussa!« rief der Herr. Die Hunde
Fielen wie die Löwen drauf:[34]
Aber – rechts und links hin flogen
Sie gerissen in den Schnee.
Der Herr Graf wollt' mit dem Spieße
Drauf; der Rapp stieg in die Höh –
Ließ sich uns're Hunde eine
Warnung seyn, und mocht' nicht 'ran.
Also 'runter! – Auf der Stelle
Nahm ihn auch der Eber an.
Elvire hört von hier an wieder mit ängstlicher
Theilnahme zu.
Der Herr Graf stand noch nicht feste,
Und – daß Gott! schief ging der Fang.
Blitz noch eins! da wurd' mir bang!
Aber eh' das Thier sich wieder
Wandte, fiel der gnäd'ge Herr,
Selber wüthend, wie der Keiler,
Mit den Fäusten drüber her;
Riß ihn, wie er war, zu Boden –
Ich, nicht faul, sprang auf den Wanst –
Und nun bohrt' er mit dem Fänger
Und dem Messer, was du kannst,
Ihn so lang' in Brust und Kehle,[35]
Bis er seinen letzten Schweiß
Vollends ausgeröchelt hatte.
Er war kalt, wir waren heiß.
ELVIRE die sich schaudernd abgewandt.
Welch ein gräßliches Vergnügen!
HOLM.
Nun, wir ließen ihn denn liegen;
Aber nun ist alles 'naus,
Und noch heute muß der Dicke
Auf dem Schlitten hier in's Haus. –
JERTA.
Sag' dem Grafen, daß er schicke,
Wenn er umgekleidet ist.
HOLM.
Wohl.
Ab.
Buchempfehlung
In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.
138 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro