Fünfte Scene.

[127] Yngurd. Irma. Asla auf der Höhe.


IRMA.

Es folgt mir niemand! – Yngurd! Darf ich nahn?

Hat Ottfrieds Kind hier Antheil noch an dir?[127]

YNGURD.

Du kommst dem Kopf nur ungelegen hier,

Dem Herzen nimmer.

IRMA.

O, so hör' mich an

Mit deinem Herzen! Laß den Kopf nicht wissen,

Was deine Ohren hören – hören müssen,

Aus einer Brust, von Reu' und Angst zerrissen.

YNGURD.

Sprich's aus, die Zeit ist kostbar in der Schlacht.

IRMA.

Mach' Frieden, Yngurd!

YNGURD nachdem er sie verwundert und zweifelhaft angesehen.

Kennest du den Preis,

Um den Brunhild' ihn mir zu Kauf gebracht?

IRMA erstaunt.

Sie nannt' ihn?

YNGURD.

Ja, sie fordert –

IRMA.

Still, ich weiß:[128]

Sie fordert – dich.

YNGURD.

Sprichst du im Fieberwahne,

So trifft der Unsinn wunderbar zusammen

Mit dem, was ich seit diesem Morgen ahne.

»Trennt euch von Irma,« sprach sie, und in Flammen,

Wie Schaam sie aufbläst, stand ihr Angesicht.

Ich weiß, sie haßt dich; weißt du mehr, so rede.

IRMA.

Sie liebt dich, Yngurd, und sie rastet nicht,

Bis sie dich mir entreiße oder tödte.

YNGURD.

Wer hat in ihre Brust geschaut?

IRMA.

Die Liebe,

Die, gleich der Taube, wenn in fernen Höhen

Der Geier schwebt, schon die Gefahr erkennt.

YNGURD.

Du hast seit Ottfried's Tod sie nicht gesehen.

IRMA.

Seit dich ihr Auge hat gesehen, brennt[129]

Das Herz der kühnen Frau von schnödem Triebe.

Erinn're dich des letzten Festes, wo

Der Vater noch so freundlich war und froh,

Daß er mich scherzend bat, dich ihm zu leihen

Für sein Gemahl, zum Tanz im Wirbelreihen.

Wild fliegt Brunhilde mit dir auf und nieder,

Doch glühend kehrst du bald zu Irma wieder,

Und führst zu neuem Tanz dein junges Weib;

Und feuriger, wie am Vermählungstage,

Schlingst du den starken Arm um meinen Leib,

Und ziehst mich fort, als ob ein Wind uns jage.

Sanft mahn' ich dich zu ruhn. Du zürnest mir;

Und schaamroth, leis' in's Ohr, eröffne ich dir,

Daß ich ein Pfand schon deiner Liebe trage.

Die neue Lust umnebelt deine Sinne,

Des Orts vergißt die eheliche Minne,

Du nennst mich Mutter – deine Arme legen

Um meinen Nacken sich wie Epheuranken –

Und wie im Rausch seh' ich die Säulen wanken,

Und Vaters Auge such' ich für mein Glück.

Da flammt, dicht neben uns, Brunhildens Blick

Voll Lustbegier mir unbewacht entgegen,[130]

Und wie ein Dieb fährt er bestürzt zurück,

Und brennend Roth deckt Brust und Hals und Wangen.

Sie war verrathen – wußt' es, und ich las

Auf ihrer Stirn ein brünstig Mordverlangen.

YNGURD.

Irma, warum verhehltest du mir das?

Beim Himmel, viel wär' anders wohl gegangen,

Hätt' ich den Grund gekannt von eurem Haß,

Der irr' mich oft an deinem Herzen machte.

IRMA.

Nicht irr'! Mein Herz war bös von Stund' an – dachte

Auf Arges für die Feindin, wollte sie

Vom König trennen, und aus Norweg bannen.

Sieh, so entstand die gift'ge Fehde, die

Um Ottfrieds Herz wir schlangenhaft begannen.

Und wie das Feld vom Schlachtroß wird zertreten,

Verstörten Vaterlieb und Sinnenlust

Im steten Kampf des alten Mannes Brust.

Mir zürnend starb er – fluchte mir vielleicht,

Und wo ich immer an ihn denke, däucht[131]

Es meinem Ohr, als rief's: Du halfst ihn tödten!

YNGURD.

Laß ruhn die Todten; Reu' am fremden Grabe

Ist tödtlich Gift.

IRMA.

Was ich vebrochen habe

Am Todten, mag der Himmel gnädig richten.

Doch Oskar lebt; grüß' ihn als Ottfrieds Sohn,

Erheb' ihn selbst auf seines Vaters Thron,

Und laß uns fern von meiner Feindin flüchten!

YNGURD.

Wie, thörig Weib? Willst du dein Werk zernichten,

Wie einen Putz, der dir nicht mehr gefällt?

IRMA.

Mein Werk! Das ist's, was meine Seele quäl.

Du weigertest die Hand, den goldnen Reifen

Mit zweifelhaftem Rechte zu ergreifen.

Ich trieb dich an; ich machte dir's zur Pflicht,

Brunhilden, die gehaßte, zu bezwingen

Ich ließ den Normann mit dem Normann ringen,

Mein Hirn ersann ein lügenhaft Gerücht,

Das meines Vaters Bett beleckte. Mein –

[132] Mein ist das Werk, vor dem ich schaudernd stehe.

Erhältst du es, so wird die Sünde dein;

Mach' Frieden, Yngurd, daß es untergehe!

YNGURD in sichtbarer Bewegung.

Willst du den Muth mir rauben in der Schlacht

Mit dem Bekenntniß deiner Schuld? – Du bist

Das Werkzeug nur gewesen höh'rer Macht.

Der Baum, der brüderlich die Wolken grüßt,

Ist aus gemeiner Gährung aufgeschossen,

Wie Aehren dem gedüngten Land entsprossen.

Doch hoch nun steht er auf des Berges Stirn,

Zieht edle Nahrung nun aus Luft und Licht,

Und grübelt über seinen Ursprung nicht

Zerstörend nach, mit müßigem Gehirn. –

Der König kehrt zurück nicht unter Knechte.

IRMA.

Die Liebe, Mann, die dich zum Thron erzog,

Und die der Thron um ihren Lohn betrog –

Die Liebe fordert ihre heil'gen Rechte.

Du warst nicht mein, seitdem du König bist.

Ein Wolkenschatten, der im Flug die Blume[133]

Kaum fühlbar mit den kühlen Lippen küßt,

Zogst du an mir vorbei zum Heldenthume.

Auf Stunden sicher, Monden in Gefahr,

Auf Tage mein, auf Jahre mir entrissen,

Drückst du mir tiefer stets den Stachel in's Gewissen,

Daß ich die Ursach all' des Gräuels war.

Und diese Nacht! – Der Traum – der Strahl der Luft,

Des Vaters Sarg zerstörend in der Gruft,

Und sein Gesicht dem Fackelschein entblößend –!

Hab' Mitleid, lieber Yngurd! Blick' erlösend

Hernieder auf die Angst der Sünderin,

Die vor des Himmels Züchtigung muß zagen.

Wirf meinem Bruder seine Krone hin,

Ich will dich liebend auf den Händen tragen!

Mußt du gebieten, stolzes Herz; ich bin

Aus königlichem Blut erzeugt – gebiete

Wie einer Sklavin mir; mit treuerm Sinn,

Als dieses Volk, gehorcht dir mein Gemüthe.

Kannst du nicht leben ohne tapfre That,

Du löwenkühner Sohn der Waffensiege;[134]

Als Knapp mit dir in fremder Fürsten Kriege

Zieht Irma fort, dir dienend früh und spat,

Beschickt dein Roß, und kleidet dich in Stahl,

Stillt dir das Blut, wenn sie dich wund geschlagen,

Hilft auf dem Schilde dich vom Schlachtfeld tragen,

Und folgt dir sterbend in Walhalla's Saal.


Ist es der Ruhm mit seinem Riesenschatten,

Den Königshelden auf die Nachwelt werfen –

Ist's dieser Ruhm, der anspannt deine Nerven,

So gebe Ruhmsucht mir zurück den Gatten.

Laß deinen Stolz sich selber überfliegen:

Mit ebenbürt'gem Feind nur mess' er sich,

Und einzig, wie du bist, lern' über dich,

Den einz'gen Feind, der deiner werth ist, siegen.


Yngurd! Gemahl und Vater! Kehre wieder

In meinen Arm mit ungeteilter Brust,

Und gieb ein Pfand mir, daß du's redlich thust:

In Oskars Hände leg' den Scepter nieder![135]

YNGURD mit wechselnder Empfindung.

Weib! – – Irma! – Ungetheilt verlangst du mich,

Und deine Zunge theilt mich wie ein Schwert?

Es ist das Reich, dem dieser Arm gehört;

Doch unter Ottfried focht er nur um dich.

Es giebt kein Thronenrecht, als Gottes Ruf;

Ich fühle, daß er mich zum König schuf,

Weil in mir Kraft ist und gerechter Wille:

Doch vor dem König war ich dein Gemahl,

Und nöthig, wie dem Aug' des Tages Strahl,

Ist's meinem Busen, daß dein Bild ihn fülle.

Die Blüthentage meiner Liebe ziehen

Durch all' die undankbaren Königsmühen,

Durch diese Strafen, diese Kampfgetümmel,

Herauf in mir an der Erinn'rung Himmel,

Wie Morgenlichter die den Nachtqualm theilen;

Und wie die Stunden rastlos vorwärts eilen,

Möcht' ich mit dir und Asla rückwärts ziehen,

Die alten Wunden meiner Brust zu heilen.[136]

IRMA.

O, thu das Yngurd! Gieb dieß Norderland,

Rauh wie sein Volk, und eiskalt wie ein Greis –

Gieb Norwegs Macht dem schwachen Oskar Preis,

Bis auf ein Schiff, das von dem Felsenstrand

Uns wegführt in die jugendlichen Marken

Italia's, wo Geist und Sinn erstarken

Vom Trank der milden, nahrungsreichen Luft,

Die Leben in des Kranken Pulse ruft,

Und zum Genuß des Lebens den Gesunden.

YNGURD.

Irma, du lösest in der tiefsten Brust

Mir Wünsche, die ich mühsam festgebunden,

Und wandelst sie in sehnendes Gelust.

Die Zeit kann kommen, wo wir drüber sprechen.

IRMA.

Jetzt, Yngurd, gleich bestimme deinen Sinn!

Gieb Alf den Frieden, und mich sende hin,

Mein Herz an Braunhild mit dem Wort zu rächen:

Für Irma's Kuß giebt Yngurd seine Fehden,

Ich bin sein Weib; geh' und sei Königin.[137]

YNGURD.

Oh, warum mußtest du so spät erst reden

Von dem, was du gefühlt vielleicht seit Jahren.

IRMA in freudiger Wallung.

Zu spät nicht ist's.


Ihrem Gefolge zurufend.


Zum Aufsitz seid bereit! –

Den Frieden trag' ich mitten in den Streit;

Gieb einen Herold mir, mich zu bewahren

Vor rohem Muth.

YNGURD.

Bist du von Sinnen, Weib?

Im Augenblick, wo halbgeschlagne Schaaren

Den alten Ruhm vom König Yngurd fodern,

Wo schaamroth meines Heeres Wangen lodern,

Soll ich um Frieden bitten, meinen Leib

Frisch und gesund für Minnekuß zu sparen?

IRMA.

Jetzt, Yngurd, gleich! – Sieh mich zu deinen Füßen!

An diesem Augenblick hangt Tod und Leben.

Verworrne Bilder, die vorüber schweben

An meinem Geist, und in einander fließen,[138]

Verkünden mir's: Dich tödtet dieser Tag,

Wenn du dem Reich nicht willst den Frieden geben.

YNGURD.

Steh auf! – Verlaß mich! Meine Nerven beben

Bei dem Gedanken an so tiefe Schmach.

Der königliche Aar schwebt auf und nieder,

Doch frei zu beidem regt er sein Gefieder;

Und ich soll Frieden machen, wo von Noth

Die kleinste Spur ist? – Sieg gilt's oder Tod

In diesem Krieg mit schnöder Uebermacht.

Brech' ich den Schwur, so mag mich Gott verdammen!

ASLA ruft von der Höhe.

Yngurd! 's ist Zeit! Bereite dich zur Schlacht!

Mein Auge sieht der Dänen Schwerter-flammen,

Und Marduff fliegt heran, gehüllt in Staub.

IRMA ängstlich.

Asla, zu mir! Du wirst des Feindes Raub.


Sie eilt gegen den Felsen. Asla steigt herab.


YNGURD zieht das Schwert und fällt betend auf die Knie.

König der Herrscher! Lenker der Welt![139]

Fried' ist dein Name.

Höllischer Saame

Zeuget den Krieg. Daß der Schuldige fällt,

Ist dein gerechter, heiliger Wille.

Darum im Krieg

Bat ich um Sieg

Nimmer. Was recht ist, Gerechter, erfülle.

Aber des Blutes

Wallungen stille,

Vater des Muthes!

Wille der Fürsten gleichet dem Erz:

Starrende Zacken,

Gold unter Schlacken,

Ewig im Streite der Kopf und das Herz.


Die Hand auf der Brust.


Schmelze das Erz hier! Mache die Seele

Los von dem Band,

Das sie umwand –

Tilge die Noth, daß ich frei sei und wähle!


Er steht lauf und will gehen.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 127-140.
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