[Geburtstagsgedicht für Ernestine Charlotte Wilhelmine Löber]

[1454] Der Erste Tag

Der kleinen Ernestinen

Charlotten Wilheminen

Der Jungfer Löberin

Ist heute wiederum erschienen.

Die Eltern freuen sich

und alles freuet sich,

Was thu' denn ich?

Ich freue mich mit Ihnen,

Ich wünsche Glück

Und jedes Stück,

Was Seegen bringen kan;

Und bitte:

Nehmt es gütigst an

Als ein verpflichtetes Bestreben.

Mehr hab' ich nicht,

Mehr kan ich nicht

Als

Dank und Wünsche geben.

Ihr kennt mich Alle

Wer ich bin

Das ist

Die arme Neuberin.

Dreßden, d. 9. Jul. 1758.


Liebes Mingen

Heut ein Jahr hat Dich Gott der Welt geschenket,[1454]

Deiner Eltern Herz erfreut; wenn man also dran gedenket,

Daß Dein Leben voller Hoffnung, täglich immer weiter steigt,

Muß man Gott auch täglich bitten: Daß Dein Herz sich zu Ihm neigt.

Zwar Du bist itzt noch zu schwach, Dir von Gott was vorzusagen,

Denn Du wirst noch, als ein Kind, auf der Mutter Arm getragen,

Bist kaum von der Brust entwöhnet. Aber Hoffnungsvolles Kind!

Gott, und seine Gnaden-Gaben sind ein herrlich Angebind.

Dieser Name, dieser Werth muß den ersten Odem seegnen,

Dieser muß dem kleinen Kind an dem ersten Tag begegnen,

Diesen muß man täglich nennen, eh' ein Kind noch Lallen kan,

Hört es gleich noch unvollkommen diesen großen Namen an,

Mit der Zeit entwickelt sich auch der Seelen Kraft und Stärke,

Hat man Gott zum Grund gelegt, so gerathen alle Werke,

Leben, Klugheit, alles Wissen, alle Weisheit kömmt daher,

Alle Wohlfahrt, aller Seegen fließt aus diesem vollen Meer.

Ich empfehle Dich dem Gott, den Du itzund noch nicht kennest,

Für den Du, durch Seine Kraft, Dir noch unbewust, schon brennest,

Der Dich mit den Kindes-Rechten, in der Taufe, hat beschenkt,

Daß Er, mit dem ersten Jahre, gleich Dein Herze zu Sich lenkt.[1455]

Deiner Eltern Lust, und Ruhm, wird mit Deinem Leben blühen,

Und Sie werden, Gott zum Ruhm, Dich, Ihm selber, auferziehen,

Gott wird Dich mit Ihnen seegnen, und alsdann wirst Du verstehn

Was Gott ist, wie man Ihm folget, und auf Seinem Weg kan gehn.

Dieses ist mein Wunsch für Dich, und Gott wird ihn auch erhören!

Deiner Eltern Wohl und Glück wird Er mir zugleich gewähren!

Ich hab' Pflicht für Sie zu bethen. Ich muß Ihnen dankbar seyn,

Stimmet gleich mein Unvermögen nicht mit meinem Willen ein.

Sie sind gütig gegen mich, und vergönnen mir die Schwelle,

Daß ich drüber gehen darf, und im Hauße eine Stelle,

Wo ich sicherlich kan wohnen. Es wird mir Ihr Brod gereicht,

Und viel tausend andre Güte, gern, und oft, und stets erzeigt.

Dieses nun verbindet mich, Gottes Liebe zu bewegen,

Weil ich nicht vergelten kan, daß Gott Seinen wahren Seegen

Reichlich über Sie ergießet, Ihrer Kinder Wohl bestimmt,

Und mir Ihre Gunst bewahret, daß man sie nicht von mir nimmt!

Lebe! Wachse! Werde groß! Bleib gesund in Gottes Namen!

Dieser sey Dein Angebind! und Er seegne Dich! mit Amen!

Quelle:
Dresdner Morgen-Zeitung, Dresden 1827.
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