Warum?

[131] Warum ich herzenskrank und wund

Aus deinen Armen mich gerissen?

Wohlan! so magst du nun den Grund

Des schmerzlichen Beginnens wissen.


Was aus dem stillen Paradies

Dem lang ersehnten, mich getrieben,

Was deine Näh' mich meiden hieß,

Es war ein unermeßlich Lieben.


Dir selber war's noch nicht bewußt,

Du wagtest nicht dir's zu gestehen,

Daß die Empfindung deiner Brust

Im Schwinden, ach! und im Vergehen.
[132]

Gleich blieb sich deines Auges Gruß,

Und gleich der Lippe zärtlich Flehen,

Doch, wehe mir! durch deinen Kuß

Fühlt' ich den Hauch des Himmels wehen!


Wie aus dem Lied, das auf der Flur

Die Wandervögel scheidend singen,

So hörte ich durch deinen Schwur

Den Schmerzenston des Abschieds klingen.


Und in der Rose duft'gem Schooß

Sah ich den Wurm des Todesnagen –

Da riß ich mich entschlossen los,

Um nicht die letzte Schmach zu tragen.


Der Liebe, die uns einst vereint,

Wollt' ich ein schöner Loos erwerben,

Als unbetrauert, unbeweint,

Verwelkt und matt dahin zu sterben.


Einprägen wollt' ich ihre Spur

Auf immerdar in dein Gedächtniß,

Daß sie dir bleibe, sei's auch nur

Als eines bittern Weh's Vermächtniß.
[133]

Und daß ich recht that, unsern Bund

Zu lösen eh' er morsch zersplittert,

Das thut mir jetzt die Thräne kund,

Die dir im dunkeln Auge zittert.

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 131-134.
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