Von Schimpff das 206.

[130] Ein Keiserin stieß ir Hand in das Maul Vergilii.


Virgilius hat zů Rom ein Angesicht an einen Stein gmacht, da bewert man die, die da Eid schwüren. Wan einer unrecht geschworen het, so beiß das Angesicht dem die Hand, wan er im die Hand in das Maul stieß; het er recht geschworen, so geschach im nichtz. Also warden vil überwunden, das sie meineidig waren. Es begab sich, das ein Keiser die Keiserin in dem Argwon het, wie das sie schimpfft mit einem Ritter. Der Keiser strafft sie offt mit Worten, wan im etwas gesagt ward. Uff einmal sprach er: ›Frau, die Sachen gon nit recht zů. Wöllen ir euch vor dem Stein Virgilii purgieren und reinigen, das ir schweren und die Hand in das Maul stossen, so wil ich euch glauben.‹ Die Frau sprach Ja. Der Tag ward gesetzt, das es geschehen solt.

Da der Tag kam, da kam der Keiser mit seiner Ritterschafft dar; die Keiserin was auch uff dem Weg mit iren Junckfrawen und Frawen, die ir das Geleit gaben, und lieffen die Lüt schier alle herzů, die in Rom waren, und was ein groß Wesen. Es begab sich, da man also anhin zoch, da kam ein Nar in einem Narrenkleid, der trang durch alle Frawen hinzů und fiel der Keiserin an den Hals und andern Frawen auch und küsset sie vor aller Welt. Die Keiserin weint und gehüb sich übel. Der Nar ward verloren. Da nun die[130] Keiserin kam zů dem Stein, da der Keiser stůnd, da schwůr sie also sprechende: ›Als warlich als kein Man mein Leib berürt hat dan allein der Keiser und der unselig Nar, der mich da vor aller Welt geschent hat, so gewarlich stoß ich mein Hand da hinyn.‹ Und hůb sie lang daryn. Da het der Keiser ein frumme Frawen etc. Sie het recht geschworen; der Nar was derselbig Ritter in dem Narrenkleid.

Dis Exempel dient uff vil Stück, als ein jeglicher wol verston kan, sich wol verhüten und solchs zů mercken.

Es kam uff einmal einer zů dem Petrarcha und klagt im, wie sein Hausfrau bůlt und ir Ee brech und iren Glauben. Petrarcha sprach: ›Betracht, ob du deiner Frawen nie Glauben gebrochen habest, ich wil geschweigen andern Lüten! Es ist nichtz Gemeiners dan der Eebrůch. Woltestu dein Fraw allein haben? Es hat den höchsten Lüten nit allein zů unsern Zeiten mögen widerfaren, ja vor langen Zeiten haben sie es müsen leiden. Ich wolt dir wol grose Herren und Fürsten, Kůnig und Keiser nennen, die Hůren haben neben inen gehebt ligen. Claudius was ein Keiser, der het zwo Frawen gehebt, die waren beide Hůren; eine hieß Messalina, die lieff von dem Keiser und lieff in das Frawenhauß und thet Sachen, die hübscher sein geschwigen dan geret. Lůg, ob es nit ein Hoffart sei, das sie nit wöllen leiden, das die grösten Künig oder Keiser haben můsen leiden! Doch wie dem sei, so sol es dir dein Leiden erleichtern und dein Kumer, das sie gleich Leiden haben mit dir. Über alle Ding ist der almechtig Got nit frei. (Rapida libido). Man nimpt Beginen und Nonnen, die im vermehelt sein. Der Eebruch der Frawen (nec permitti, nec prohiberi protest) mag nit erlitten noch vermitten werden.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 130-131.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schimpf und Ernst
Sinnreiche Und Unterhaltende Geschichten Aus Frater Johannes Pauli's Schimpf Und Ernst
Schimpf und Ernst