58.

[397] Die letzte Hefe sollt ich noch genießen,

Im Schmerzensbecher, den du mir gereichet!

O wär ein Kind ich, schnell und leicht erweichet,

Daß ich in Tränen könnte ganz zerfließen!
[397]

Da mich so hart von ihrer Seite stießen,

Die unermeßlich ich geliebt, erbleichet

Der letzte Glaube, bittre Kälte schleichet

In ein Gemüt, das Lieb und Mut verließen.


O wohl mir, daß in ferne Regionen

Ich flüchten darf, an einem fremden Strande

Darf atmen unter gütigeren Zonen!


Wo mir zerrissen sind die letzten Bande,

Wo Haß und Undank edle Liebe lohnen,

Wie bin ich satt von meinem Vaterlande!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 397-398.
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