Achter und letzter Auftritt.

[34] ORASIA mit ihrem Gefolge.

So ist nun Orpheus todt!

Ich Unglückselige! was hab' ich doch gethan?

Was greift mich itzt für neue Marter an?

Durch seinen Tod gedacht' ich Ruhe zu erlangen;

Doch scheinet meine Qual nun erst recht anzufangen.

In diesem Augenblick

Fühl' ich all meinen Zorn verschwinden.

Dagegen kehrt die Lieb' aufs neu zurück

Mich unweit heftiger als vormals zu entzünden.

Wobey mich noch in gröste Qual versetzt

Daß Orpheus nun was einzig sein Verlangen

Mit Eurydice sich vergnügt ergetzt.


Die Gespenster des Orpheus und der Eurydice erscheinen ihr von weiten und man höret ein starkes Seufzen aus dem Gehölze.

Aria.


Helas quels soûpirs me repondent?

Helas! quels soûpirs, quel regrets

Avec mes plaintes se confondent?

Helas! quels soûpirs, quels regrets

Me repondent dans ces forêts?


Ach was für Seufzer antworten mir?

Ach was für Seufzer / was für ängstliches Flehen

Vermischet sich mit meine Klagen?

Ach was für Seufzen / was für

ein ängstliches Stehnen

Antwortet mir aus diese Walde?

Ihr Himmel / ach! was nun für Raht?

Verzweiflung stürzt mich in die Gruft /

Die Haß und Liebe mir bereitet hat!

Ich sterb' / um meine Qual dadurch zu enden /

Und Orpheus Liebe noch dort in der Höllen-Kluft

Von Eurydicen abzuwenden.

Schluß – Aria.


GEFOLGE DER ORASIA.

Ach lebe / Königinn / ach lebe!

Wir sterben alle gern für dich.

Daß dein Geschick sich zu den Sternen hebe:

So leben wir geruhiglich!

Ach lebe / Königinn / ach lebe!

Da Capo.
[34]

Quelle:
Georg Philipp Telemann: Die wunderbare Beständigkeit der Liebe, [Hamburg] [1726], S. 34-35.
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