Rübezahl schenckt einem einen Ball.

[161] Ein Apothecker Gesell wolte mir vergangen beyschwatzen / daß er in Schlesien vernommen hette /wie vor 15. Jahren etliche Studenten / über das Gebürge gewandert weren; da sie ohngefehr eine ziemliche Menge junger Pursch angetroffen / die den Ballen geschlagen. Zu solchen Hauffen weren sie aus lüstern Muthe hingespatzieret / in willens habend etwa zuzusehen: Drauff sol es geschehen seyn / daß einer unter den Hauffen sich hervorgethan / und die anwesenden Spectatores zum Spiele invitiret hat: Welche sich aber höchlichst entschuldiget. Vorwendende / es würde schier Abend werden; derentwegen sie denn Zeit hetten / sich von dem Gebürge zu machen / und drunten eine Herberge zu suchen. Hierauff sol der anredende Pursch (es war aber der Rübezahl gewesen /) ferner angehalten haben / und sie schier zum Spiel gezwungen /[162] derentwegen die Reisenden nicht hatten Umbgang nehmen können / sich des Nöthigens weiter zuentschlagen / sondern hatten sich nach Beliebung d' Compagnie, in zwey Theile absondern lassen / und (nach dem sie die Parol bekommen / es solte durchaus nicht lange wären / so würde die Kurtzweil geendiget seyn: Und könte auch mitlerweile vielleicht geschehen / daß sie was prosperirten: So dürfften sie auch nichts zusetzen / sondern es solte alles von ihnen entrichtet werden) den Ball zuschlagen / sich belieben lassen. Wie nun aber hierüber fast eine Stunde sich verlauffen / und diesen etwas bange geworden / wie sie loß kommen möchten: Da war es unverhofft geschehen /daß die gantze Anzahl verschwunden / und sie im blossen Felde alleine gestanden; Auch den Ball behalten haben / der von Stunde an zusehens in klar Gold verwandelt worden. Hierüber war nun wohl eine schleunige Freude entstanden / doch war das geschwinde Leid darbey auch nit ausgeblieben.[163] Denn erstlich waren sie zwar sehr lustig geworden / daß sie ledig und loß gewesen / und noch darzu einen trefflichen Recompens hinterlassen / empfangen hatten. Doch hatten sie bald die Traurigkeit auch zugleich mit ereignet: sintemal sie zu rauffen und schlagen gerathen waren / über den verlassenen Schatz / welchem er zustünde: Indem der eine / der ihn in seiner Faust behalten / eintzig und alleine hatte wollen Herr drüber seyn und bleiben / die übrigen aber ex æqvo haben participiren wollen / sich beruffende auf des einladenten Wörter: Als der gesagt habe / daß sie vielleichte nach dem Spiel eine Belohnung davon tragen könten. Hierunter waren sie nu alle zuverstehen / und nicht der einige allein. Aber dieses hat der Besitzer des Kleinodes nicht wollen gelten lassen / sondern sein Jus Possessionis immer vorgewendet; biß sie sich erbärmlich zuschlagen angehoben / und auch nicht eher auffgehöret hetten / biß ihrer etliche auff den Plätze geblieben; wenn[164] nicht ein grosser ansehnlicher Mann (der abermal zweiffels ohn der Rübezahl gewesen /) drüber were zu masse gekommen / und hette sie von einander gebracht / die Ursache des Streits von sie erfraget / und durch ihn also der Hadder geschlichtet were worden. Nemlich wie sie ihm verständiget hatten daß sie ein sonderliches Glücke im Ballspielen gehabt / und drüber einen güldenen Ball gewonnen; da sol der Mann das Kleinod haben sehen wollen / welches sie ihm auch gezeiget / der es aber in vier Stücke mit seinen Fingern zubrochen / und einem ieden ein Theil zugeschantzet hat / darbey berichtende / daß die Verehrung freylich sein Absehen auf sie miteinander hette: Welches auch daraus erschiene / weil auff einem iedweden Stücke ihre Namen eintzelen stünden / die sie ja nunmehr lesen würden können / so ferne sie Augen hetten. Und nach diesem besagten war der Mann augenblicklich verschwunden / und hatte sie in Friede förder gehen lassen: Die auch[165] hernach lange /weil ihr Stücklein Goldes sollen verwahret gehalten haben / davon gedachter Apotheckers Gesell eines wolte gesehen haben.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 161-166.
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