(8)[53] 73

Zu letzte giebet eben der Olaus74 an den Tag / daß gegen Norden Berge oder Felsen sollen geschauet werden / welche von Natur außsehen / wie sie einen Helm aufgesetzet hätten / und weil solches von Natur ihnen gleichsamb angebohren were / geben sie den Beywohnern / als Schweden / zuverstehen / daß sie sich wie gehälmte Leut oder Kriegsmänner verhalten sollen.

Bißher haben wir gehöret / daß es an solchen Bergen nicht ermangele / welche allerhand äusserliche Gestalten præsentiren: Aber dieses kan[53] man von dem Blocksberge nicht sagen: Sintemahl solcher von weiten oder in der Nähe keine Form præsentiret / welche einen Bocke nachkähme; Dannenhero er etwan möchte nach eines irrenden Meynung Bockes-Berg heissen / sondern er hat vielmehr seinen Nahmen vom höllischen Bocke / das ist / vom Teuffel / welcher sich in eines Bocks Gestalt auff selbigen Berge zum öfftern erzeigen soll / sonderlich wann die Hexen ihre Gasterey drauff halten.75 Wie beym Bodino auß vielen Bekantnissen der Zauberer und Hexen erhellet / allwo er unter andern gedencket der dreyer Männer / die samt einer Frauen wegen verübter Zauberey zu Poictirs einer vornehmen Stad in Franckreich verbrand sind; welche bekennet / daß sie dreymal zu ihrem Hexenfest und »Convent waren gezogen / da unzählich viel Zäuberer zusammen kämen / welchen fürstünde ein grosser schwartzer Bock / der die anwesenden mit vernemlicher Menschenstimme anredete.«76 Vmb denselben müsten sie alle tantzen / und ein jeglicher eine brennende Fackel in der Hand haltend ihme den Hindern küssen. Ob aber wol der Sathan im Gebrauch hat allerley Leib / wie es ihm gefällig anzunehmen / so erzeiget er sich doch und lässet sich sehen mehrentheils und gemeiniglich / wann er keine Menschen Gestalt annimt / in der Gestalt eines Bockes. Daher man erfähret / daß die[54] Teuffel in Heil. Schrifft Böcke heissen. Inmassen der Chaldeische Außleger über den Esaiam das Wort Sair, welches einen Bock bedeutet / durch das Wort Teuffel verdolmetschet.77 Wann der Prophet saget: Drachen werden da (in Babel) wohnen / und Böcke werden da tantzen / so haben es die Dolmetscher verdeutschet und erkläret / tantzende Waldmännlein / Feldteuffel / Geißmännlein die einander begegenen / und einander laden: Und wenn der Prophet ferner sagt / der Zihim wird sich da lagern / und ihre Häuser vol Ohim seyn; So halten etliche Zihim für allerley Ziegen- oder Geiß-Geschlecht; und Hohim für allerley hoch-einfliegende Vögel. Gleichwol nichts destoweniger deuten sie alle mir die Geißmännlein die gedachten Böcke an. Deßwegen denn auch Gott der Herr nach dem er dem Jüdischen Volcke ihm gewisse und in seinem Gesetze benahmete Thiere zu opffern befohlen hatte / verbietet er ihnen / daß sie ihre Opffer hinfort nicht mehr opffern sollen den Böcken / das ist den Feldteuffeln / welche in Bocksgestalt pflegeten zu erscheinen.78 Vnd schreibet R. Moses Maimon.79 über den angezogenen Ort des 3. Buchs Mosis / daß bey den Chaldeern unn Sabeern / als derer Bücher / so sie von ihren Geheimnüssen und Opffern geschrieben haben / er sehr wol gelesen hat / der Gebrauch gewesen sey an einöde Oerter zu walfahrten / daselbst den[55] Teuffeln zuopffern / eine Grube zu machen / darnach Blut hinein zu werffen / und nach allem ümb die Grube herümb zu gehen / und den bösen Geistern ihr Fest zuhalten. Eben dieser R. Moses Maimon schreibet auch an einem andern Ort / daß Leute gefunden werden / welche die Teuffel ehren und anbeten / auch dafür halten / daß sie eine Bocks Gestalt an sich haben / deß wegen sie dieselben Seirim oder Böcke zu nennen pflegen.80 Besiehe hievon weiter Herrn D. Mengeringen in Informat conscient. am Sontage Invocavit pag. 162. seq.

Warumb aber der Teuffel sich gerne in Bocks Gestalt erzeiget / kan vieleicht auß dieser Ursachen geschehen / weil der Bock ein stinckend und geil Thier ist / davon Franzius also schreibet:81 Hirci imprimis vehementer sunt libidinosi etc.82 das ist / die Böcke sind über alle massen hefftig geil; (welches darauß abzunehmen ist / weil sie fast stets von der seite sehen und schielen) so gar daß wann sie andere Böcke auff die Ziegen springen sehen / in Zorn auff dieselben zulauffen / und sie herab stossen.83 Ja »es ist eine solche geile Brunst in ihnen / daß sie offt mit leichtfertigen Metzen zu vermischen sich unterstehen. Plutarchus, Cælius und andere erzehlen / daß der Crates von einem Bock sey ümbgebracht worden /weil er sich in eine Ziege verliebet / und mit derselben in des Bocks Gegenwart Schande getrieben hat.«[56] Eine solche unersätliche Hurenlust und unverschämbte Geilheit findet sich nun auch bey dem boßhafftigen verhurten Teuffel / da er allerley Schandvossen und Unzucht mit seinen verschwornen Hexen treibet / und auff solche Hurische und Ehbrecherische weise bedienet / wie solches mit vielen Exempeln und eigenem Gedächtniß der justificirten Zauberer Bodinus bekräfftiget.84 Vnd darumb kan es wol seyn / daß der unflätige Teuffel und bulerische Beelzebub keine Gestalt als des stinckenden und rantzenden Bockes lieber hat oder annimpt. Dahin auch sonder zweiffel / der älteste Zauberey Erfinder Zoroastres gesehen / wenn er in seinen Büchern / in welchen er von dieser Vnkunst geschrieben / durch die Böcke versteht die bösen Geister / vonwegē des Bockes Eigenschafft / der gantz stinckend und geil ist.85 Welches auch der Printz von der Mirand dunckel und verschlagē in der zwölfftē Position über den Zoroastrem mit diesen Worten hat zu verstehen gegeben. Quid sit intelligendum per capros apud Zoroastrem, intelliget qui legerit in libro Bair, quæ sit affinitas capris cum spiritibus. Das ist: Was aber bey dem Zoroastre durch die Böcke verstanden werde / das verstehet sich / wenn man das Buch Bair lieset / was nemlich für eine Verwandschafft zwischen den Böcken und Geistern sey. Nun aber ist diß[57] der bösen Geister Eigenschafft / daß sie Gewalt haben über die geile und viehische Gelust / inmassen solches die Hebreer wargenommen / da sie im Buche Pirke Avoth melden / daß der Sathan werde von der Schlangen getragen / welches Philo Judæus hat für die Wollust außgeleget.86 Von welcher / wann derweise Architas geredet / gleichwie Cato der Censor bezeuget / hat er stets zu sagen pflegen / sie sey eine Ertz-Feindin des menschlichen Geschlechts; Nullam pestem capitaliorem hominibus à natura datam voluptate, das ist: Es sey von der Natur dem Menschen kein schädlicher Ding gegeben als die Wollust /wie solches Cicero anzeiget und erzehlet. Daher die Griechen die Geister in Gestalt der hurischen und Ehebrecherischen Satyren oder Geißmännlein / so halb Böcke und halb Menschen seyn sollen / angedeutet haben.87 Doch köne über dem / auch wol einer auff diese Gedancken gerahten / daß der schabernackische Geist den Männern zu spotte / deren Weiber er beschläfft / sich in Bock verwandele / als wolte er den Hahnreyern gleichsam Hörner auffsetzen / in dem ihre Weiber auff ihn / als auf einem gehörnten Bock / sich setzen. Denn daß die Schneider nicht allein / sondern auch solche Hahnrey mit dem Bock auffgezogen werden / siehet man auß folgendem Epitaphio jocoserio.[58]


»Zwey Hörner liegen hier in dieser Grufft begraben /

Nicht dencke / daß ein Bock hier werde die Ruhstat haben;

Hier ruht ein guter Mann / der Hörner hat bekommen /

Nachdem ihm die Natur das stossen hat benommen.«


Nachdem ich nun einmahl auff den geilen herumbrantzenden Bock kommen bin / kan ich nicht ümbgang nehmen hieher zu setzen / was Schererzius88 von dem nächtigen Bocke / welcher die Leute pfleget von einem Ort zum andern durch die Lufft zu führen / mit folgenden Worten schreibet. Es wird von unserm liebsten Herrn und Heylande Jesu Christo der leidige Satan in der Heil. Schrifft ein unreiner Geist89 / Luc. 11. genent; welchen Titul er denn eigentlich mit rechte besitzet / nach seinen unreinen Wirckungen und Geschäfften / denn er ist der einige Vnzuchtsstiffter und Urheber / ja er hoff iret und wartet in diesem Falle oder in solcher Vnreinigkeit mit allem Fleisse seinen Dienern / Vasallen / verhurischen Schlaven und Ehebrechern auff; daß er ihnen nur nach Beliebung zugefallen leben / und sie auff diese Ahrt biß zu ihrer Verdamnüß möge in seinen Fesseln verstrickt behalten. Es ist aber recht zubetauren / daß fast in allen Landschaften / wo die Christliche Religion getrieben wird /[59] die unzüchtigen Weiber / durch Hülffe der alten Hexen und des Teuffels Köchinnen / ihre Buhlen durch solche nächtige Gespenster holen und zurücke bringen lassen: und zwar sonderlich durch Bedingung und Gebrauch eines eigentlichen Teuffelsdinges das sich in Gestalt eines Bockes præsentiret / und durch die Lufft flieget. Worauß gar leicht zu erkennen ist / wessen Geistes Kinder sie seynd. Luc. 9. Ja daß sie keine liebliche Schäfflein seyn / welche man am Jüngsten Tage zur rechten Hand des Herren Christi gestellet befinden wird: sondern garstige und unflätige Böcke / welche von Gottes Angesichte in das ewige Feur mit den Teuffeln und seinen Engeln ohne Barmhertzigkeit werden geworffen werden Matth. 25. Denn der Bock ist ein Sinnebild oder Zeichen aller geilen und verhurten Leute / welche das Reich Gottes nicht besitzen werden. 1. Cor. 6. Exempel solcher verblendeten Verwegenheit seynd traun an manchem Orte nicht seltzam: Derenthalben ich mich alhier in Erzehlung derselben wil überhaben wissen. Ich kenne gar viel / welche in ihrem Alter bekant haben / daß sie in ihrer Jugend auff solche Böcke sich des Nachts zu ihren Buhlen oder Huren auff etliche Meilweges haben holen und wiederbringen lassen: deren etliche es sehr bereuet haben / daß sie der Vnreinigkeit und dieser Welt Eytelkeit so viel eingeräumbt hätten.90 Ja was mehr ist / so hat[60] man auch Exempel / daß etliche wider Willen91 und gezwungen / durch dergleichen Böcke mit Gewalt weggerissē und dennoch wieder gebracht wurden / wenn sie ihren Metzen treuloß geworden sind. Vor wenig Jahren / nemlich etwa zwantzig / war ein Handwercksmann / der sich heimlich mit einer Alten verkuppelt hatte: aber hernach hat er sich mit einer Junffer behangen / und auch Hochzeit mit ihr gemacht; ungeachtet der vorigen Vettel / ob sie sich schon mit Dräuworten vernehmen liesse. Wie nun die erste Nacht des Beylagers heran kam / bat er etliche Gäste / unter welchen auch ein Pfarrherr war / ümb Gottes willen / daß sie doch bey ihm verbleiben möchten / denn es stünde ihm vom bösen Geiste eine Gefahr für; sintemal er eingedenck ward der Bedräuung der alten Huren. Was geschicht? Mitten in der Nacht kömpt ein solcher Bock gleichesweges zum Bräutigam hinan margiret und begehret / daß er sich auffsetzen solle. Jener aber fängt drauf häfftig an zu beten / und kan kaum von den Gegenwertigen in ihren Armen gehalten werden / nachdem endlich der Bock mit vielen Gebrummen sich verlohren. Die andere folgende Nacht wird eben dieser Bräutigamb gantz unversehens recht auß dem Bette gerissen / und die Braut allein drin gelassen. Vnd wie er zur Gnüge von dem Gespenste mag tribuliret geworden seyn / ist er des morgens nicht weit von[61] der Feurmaur oben auff dem Dache in der Rinne gefunden worden / da ihn die Freunde / nachdem sie solches Dach auffgerissen / halb todt wieder bekommen haben / und er darauff durch etliche Monat zu Bette hat liegen müssen / biß daß er endlich genesen / doch sich mit seinem jungen Weibe täglich gezancket / und nachmaln auß Vngedult in den Vngarischen Krieg gelauffen ist: da er denn auch / so viel ich Nachricht habe / mag gestorben seyn. O gräuliche Hindansetzung und Verachtung des ersten und andern Gebots! O grosse Verwegenheit der Menschen! O verteuffelte Blindheit der sündigen Menschen! O äusserste Sicherheit der unflätigen Buhler; O schändliche Verführung der Jugent! O ewige Straffe der Hurer und Ehbrecher! welche sich auch nicht schäuen noch in Bedencken nehmen / den Teuffel zu ihren fleischlichen Begierden zu gebrauchen. Fürwar sie werden rechte Teuffelsböcke werden zur ewigen Verdamnüß /wo sie nicht ernstliche Busse thun. Ja sie werden billig mit den Teuffeln büssen müssen / als welcher Gesellschafft sie alhier zu sündigen genossen haben. Es ist kaum eine augenblickliche und kleine Lust / welche sie hier nach ihrer Einbildung geniessen: aber eine ewige Quaal wird seyn / die sie dermahleins dafür annehmen werden. Man solte also billig alle Verführerinnen hinweg thun / welche die Jugend also[62] verleitet / dadurch der Teuffel geehret / sein Reich verweitert / und GOttes Ehre hergegen verschmälert wird. Gedencket doch einmal / ihr Christen-Hertzen /wie es eine unreine unflätige / und unserm Wandel eine ungezierte gräuliche Wollust sey / welche dergleichen Leute so damit behafftet seyn / den Böcken / Sauen / Hunden und andern Bestien ähnlich machet /welche den Bund / so sie in der H. Tauffe mit Gott angefangen / trennet: Welche die Engel verschichtert: den Teuffel herlocket / und die Verführte endlich in das ewige Verderben stürtzet. Verunheiliget doch euer Tempel oder Hertzen / welche Christus mit seinem H. Bluteso teuer gekauffet und eingeweihet hat / umb Gotteswillen nicht auff solche weise: Seyd doch keine Knechte des Teuffels und solcher Hellischen Böcke / die ihr Christi Diener seyn sollet. Gedencket wie das Todsstündlein so schleunig heran rücket: Gedencket was es für ein Ende gewinnet mitsolchen unsaubern Hengsten: betrachtet auch ihre zeitlichen Straffen / damit sie Gott manchmal heimsuchet / und werdet doch auß anderer Leute Schaden klug. Es sind viel /welche wie sie vermeynet haben / der Angenehmligkeit eine weile genossen / und ihre Lüste und Fleisches Begierden gestillet; aber wie bitter ist ihnen der Todt leyder! angekommen. Sie sind zu späte klug geworden; ja zu späte haben sie solche verdamliche Freude verwerffen lernen. Lasset euch also / O ihr Jünglinge! die ihr noch die[63] Blüt eurer Jahr habet / und gleichsamb in den Rosengarten eures Alters wallet: Vnd ihr Mägdlein / die ihr grosses Lob einleget und Zierath bekommet / wenn ihr euch schämen lernet / lasset euch alle / sage ich / doch durch des Teuffels Verführung nicht bethören / und so liederlich einnehmen: Schmeisset die alten Vetteln und Teuffels Koplerinnen von euch hinweg / und lasset ihr schmeichliches Werben und Vorbringen bey euch keine Stat finden / denn was der Teuffel selbst nicht ins Werck setzen kan / das verrichtet er durch eine alte gottlose Hexe / nach dem gemeinen Sprichwort. Vnd weiter ihr Haußvätter / gebet doch Achtung auff euer Gesinde / Einwohner und Hausgenossen / und bemühet euch / so viel müglich ist / des bösen Feindes Vnwesen zu tilgen: Denn also wird Gott der Keuscheit bey euch wohnen. Bißhieher Schererzius.

Bißhieher gnugsam von dem Bockenzigten Teuffel; Auf welchem / weil nun die Hexē ihr Hin- und Herfahrt hatten / so nennet man sie auch davon Bockreiter / wie es Goldastus in Bedencken von Confiscation der Hexen Güter p.m. 67. schreibet; oder Besem-Bock und Gabel-Reiter / wie sie vom Hildebrando in Theurg. p. 26. genennet sind.92

Hierauß erscheinet also (als ein helles Feur außm rustigten Ofen) gantz klar / daß man vor[64] Blocksberg besser mit den Alten kan sprechen und schreiben Bocksberg: vor Melibocus Helbocus: vor Blocken Bocken mit einen weichen B. zum Vnterschied der pustularum Blattern / welche auch sonst auff teutsch heissen Pocken; wiewol dennoch auch Lic. Schmuck etliche mahl schreibet Bocken: da er lehret wie von Bocken keine Narben oder Gruben werden?93 Ja es kan auch wol der Sambucus seinen Namen vom Bocke bekommen haben auff teutsch Hollunder / welches ist ein Holtz unter andere gerechnet / damit man die Vnholden den 1. Maj. (wann sie auff so genandten Blocksberg fahren) abhalten wil / und ist Sambucus94 so viel geredet: als wenn man sagte / Sey am Bocke / oder sey gut / wenn die Hexen am Bocke küssen: welche Etymologia vielleicht so gut ist / als daß Sambucus von Sambuca, welches ein Musicalisch Instrument ist / einem Hackbret oder Harffen ähnlich /von wegen der außgehölten Röhren und Pfeiffen / soll genandt worden seyn / nach dem Pena und Lobel. in adversar. stirpium p. 454.95

Bißhieher insonderheit von dem Ptolemaischen Wort Melibocus, daß es vielmehr solle Helibocus oder Hellibocus heissen / in dem er es nicht recht auffgeschnappet mag haben / und also corrumpiret: Doch ist noch weiters zu gedencken / daß es auch wol daher kan kommen seyn / daß die alten Teutschen selber das Wort [65] Helibock so außgesprochen haben / und dafür gesaget Melibock96 ad evitandam δυσφημίαν: damit sie nemblich das Böse und Vnannehmliche in ein leidlichers versetzen möchten: wie denn solches kein neues ist, auch bey den Teutschen nicht allein gebräuchliches / sondern ein altes und hin und wieder in den Sprachen befindliches / daß die Leute in gemein gerne ἐυφημίαν affectiret oder sich gehütet haben / damit kein verkehrtes oder unheilsames Wort über ihre Zunge erginge. Also da man vor diesem weidlich ins Gelach hinein gefluchet / unn gesaget: daß dich der Hagel / da wil mans heutiges Tages so viel müglich lindern / indem sie sprechen / daß dich der Hamel / vor Düfel Knüfel / vor scheissen schmeissen: vor GOTTES Sacrament muß ein bißchen gefluchet seyn / wenn sie sagen: Potz-Schlapperment: Was die particul Potz betrifft / so saget Mag. Iohannes Cuno97 Pfarrherr vor diesem zu Saltzwedel Anno ein tausend fünffhundert drey und achtzig / also; Wenn man drumb besprochen wird / man solches entschuldiget und sagen darff / es sey nicht gefluchet / denn mann habe GOTT nicht genennt / sondern Potz gesaget: Eine schöne Entschüldignng / die einen solchen Lästerer vielmehr beschuldiget und anklaget / in dem er unserm HERREN GOTT / der da spricht / ich bin ein GOTT der sich nicht verändert / Malacham[66] am dritten / seinen Nahmen verkehret / und gleich seiner spottet / denn welcher Mensch kan leyden / daß man ihm seinen Nahmen ändert: Als wenn einer Hanß hiesse / und ein ander wolte ihn Ganß oder Wanß nennen / würde es nicht ein Verspottung seyn? Daher sich offt schrecklicke Todtschläge verursachen. Da sonsten die Nieder-Sachsen (die Ober-Sachsen wissen von der Kurtzweile wenig / was das Wort betrifft) herein geplumpet / und Kutte gegalstert haben; da muß es weichlicher heissen Knutte: Ja es wol gar eine Nonne im Magnificat sich gescheut zu singen: Sicut loquutus est. etc. Lucæ 1. v. 55. In deme sie dafür soll gequackelt haben Sipülschen oder Siknut loquutus est. etc. Was ihme der Leiptziger Beywort wolle / wenn sie sich versprechen / entweder Fett-Fleesch: Oder Vorder-Tuch / oder Vatter Vnser / das werden die Junfern am besten wissen / sintemal sie es für sich / für sich sage ich / behalten / und es nicht haben in das Complementir-Büchlein gerahten lassen / da sonst alle andere oder doch die meisten Sprichwörter an zu treffen sind. Wie nun solche depravationes der inauspicatorum verborum oder übel lautender Wörter sonderlich bey den Teutschen gemein seyn; also kan es nun auch wol vor Alters passiret seyn / daß sie (da man noch von ältern Jahrē her gesaget hat Hellbock) Melibock drauß gemacht / wo es wiedrū nur üm ein[67] Buchstaben zu thun gewesen; welches das Böse in ein etwas Bessers hat verwandeln sollen. Aber ich halte doch dafür / daß es nicht sonderlich besser werde; sondern vielmehr pessimum verbleibe / oder daß es nicht λῶςον werde / sondern lose verbleibe / ob schon das materiale eine Decke bekommen / oder ein bißlein verschmieret und übertünchet worden / oder noch werde: So verbleibet doch das formale, in dem man einerley Ding durch das verklappete Wort / nach wie vor verstehet. Sonst wann es āders were / so solte doch wol folgen / daß Horatius gelogen / oder ein wenig auffgeschnitten hat / indem er gesungen: Daß Patres semper vitiosiorem genereut progen iē, die Eltern immer bösere Kinder zeugen / und daß Ætas futura pejor sit ætate avorum, die Welt bey den Nachkomē viel ärger seyn werde / als sie bey den Vorfahren gewesen: Wenn nemlich in vermeynter Linderung der Wörter auch die übel und ungeartere Sache zugleich solte gantz aboliret werden. Es wird wol bleiben was jener Schlesier gesaget in parallelis morum, wiewol dennoch Agricola hie möchte in seinen teutschen proverbiis nachgeschlagen werden / welcher gäntzlich dafür hält / daß die Alten ärger gefluchet haben / als wir heutiges Tages. Aber doch ist zu wissen / daß wenn solche Flüche heute bey den Gelahrten schon nicht üblich seyn (als welchen ein anders ist gelehret worden:) dennoch das Vnwesen bey den Soldaten / oder sonsten[68] andern gemeinen Läyen nicht verloschen sey: welche die alte Welt noch richtig und unvergessen præsentiren, und die Schnautze so bald voller Teuffel haben / als voller Brod und Bier. Von Soldaten kan man trauen nachlesen in der Queer und in der Länge / Herrn Mengerings Soldaten-Teuffel.

Hie hat der Leser zu mercken / daß wir in künftigen mit den gemeinen Mann dennoch schreiben wollen / theils Blocks-theils Brocksberg.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Blockes-Berges Verrichtung. Leipzig, Frankfurt 1669, S. 53-69.
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