5.[326] 18

Bißhero zur Gnüge vom garstigen Bock-Küssen darauff kombt alhier 5. der Bericht vom Tantzen oder Springen / worinne zu beobachten vorfallen die


P feiffer und Spiel-Leute.

L iechter und Fackelhaltung.

O btinirung der Kehrbesen in Händen.

K opff zusammen schlagung.

S pring oder Tanz-Lieder.

B ückung oder Neigung vorm Teuffel.

A ufzieher zū Tantz / welche die Teuffel sind.

R unde deß Tantzes.

G esichter heraußwendig auß dem Kreise.19


Hier ist sonderlich zu mercken / daß keine Hexen-Versamlung geschicht / man tantze darbey: Und inmassen die Hexen von Longny bekant haben / so pflegen sie / allweil sie tantzen / zu[326] sagen / Herr / Herr / Teuffel / Teuffel / spring hie / spring da / hupffe hier / hupffe dort / spiel hie / spiel da.20 Etliche aber ruffen Sabbath / Sabbath / welches so viel bedeut als ein Fest / und Tag der Ruhe. Heben darbey die Hand und Kehrbeesen in die Höhe / erstlich zum anzeigen ihrer grossen Freud und Gnüge / und daß sie dem Teuffel von Hertzen dienen / und ihn mit Lust anruften. Und darnach / daß sie darmit die Anruffung / die GOTT geziemet nachspielen / sintemal gewiß ist / daß die alten Jüden / wann sie ihre Opffer in Tempel getragen / sich tantzend zum Altar gemacht haben.21 Wie dann solches der R. David Kimchi über das Wort Chagag im 41. Psalm / welches ein Fest oder Tantz heist / gemercket hat. So lieset man auch / daß David auß Freuden vor der Bunds-Laden getantzet / und darzu den 47. Psalm gesungē hab. Und in gleichem Fal lesen wir / daß der Prophet den neugewehlten König Saul zu den Reigen der Propheten weiset / welche mit Musicspielen tantzten und GOtt lobten. Dann die Music ist darumb fürnemlich den Menschen gegeben GOTT desto freudiger und mutiger zu preisen / und zu lobē. Gleichwol war bey diesem Tantz die Bewegung deß Leibes / also geschaffē / daß nichts freches / üppiges noch muthwilliges daran zu sehen war (wie frembd auch deß Königs Sauls Tochter Michal / deß Königs Davids Gemahl / die Augen eingesetzet[327] gewesen / als sie des vor der Bunds-Laden tantzenden Davids gespottet) sondern die gelinde Bewegung deß Leibs erhub das Hertz in Himmel / welches dann GOtt am angenemsten ist. Angesehen / daß es nicht wohl fält / wann man mit solcher Freudigkeit GOtt lobsinget / daß nicht das Gemüthe vor Lieb und Eiffer umb die Ehre seines Schöpffers gleichsam verzucket werde / und allenthalben in den Psalmen / da man das Wort Sela22 findet / (wie es dann sehr gemein ist) da haben die so es gesungen / den Leib sambt der Stimm erhebt. Inmassen diß gedachter David Kimchi in seinen Außlegungen über die Psalmen hat angezeiget. Sonst heist zwar das Wort Sela die Ewigkeit / wie es der Chaldeische Dolmetscher außgeleget hat / Symmachus aber und Theodocion haben es außgeleget διάψαλμα, welches etliche für eine Enderung deß Reims verstehen / etliche für Repetition im singen / etliche für eine Pause / etliche für einen Anfang eines andern verstandes. Abraham Aben Esra hat Sela außgeleget für Emeth das ist verè warhafftig / aber das ist gewiß / daß die Sänger jedesmahl zu diesem Wort auffstunden. Die Processionen / so man heute hält / geben gleichsam noch eine Anzeigung von der altē Heiligen Tantze / auch gebrauchē ihrer alle Völcker in ihren Opffern / und hohen Festen.23 Und Moses Maimon schreibet / daß die Persianischen[328] Töchter / wann sie die Sonn angebetet gantz nackend getantzet / und zu den Instrumenten gesungen haben. Aber / der Zauberer Täntze machen die Leute rasend und wütend / und daß es den Weibern mit der Frucht deß Leibs unrichtig gehet.

Von der neuen Gaillartischen Volta, da man einander im Welschen Tantz an schamigen Orten fasset / und wie ein getriebener Topff herumber haspelt und wirbelt / und durch die Zauberer auß Italien in Franckreich ist gebracht wordē / mag man auch wol sagen / daß zu dē daß solcher Wirbel-Tantz voller schändlicher unflätiger Geberden / und unzüchtiger Bewegungen ist / er auch das Unglück auff ihn trage / daß unzehlig viel Mord und Mißgeburten darauß entstehen.24 Welches warlich bey einer wolbestelten Policey ist warzunehmen / und auffs allerscharffeste zu verbieten.25 Und dieweil die Stadt Genff fürnemlich sehr tantzen hasset / so hat der Satan eine junge Tochter von Genff gelehret / alle die tantzend und springend zu machen / die sie nur mit einer eisern Gerten oder Ruthen / welche der Teuffel ihr gegeben gehabt / möchte berühren. Auch hat sie der Richter gespottet / und gesagt / sie werden sie nicht mögen umbringen / hat deßhalben der Ubelthat nie keine Reu tragen wollen. Diese Geschicht habe ich von einem / so dem Schaden beygewonet. Aber er zeiget mir darneben an / daß so[329] bald sie gefänglich angenommen worden / dermassen erschrocken / und furchtsam gewesen / daß sie gezittert und gereudert / und habe zu Beschönung deß Schreckens fürgewendet / ihr Meister habe sie verlassen / wiewol er ihr versprochen / sie werde nicht sterben. Belangend die Unsinnig- und Wütigkeit / da erfahret man gantz eigentlich / daß alle Unsinnige und Besessene solche Täntze und gewaltsame Sprüng gebrauchen. Und ist kein besser Mittel dafür / ihnen zu recht zu helffen / dann sie sein sitsamlich / und mit schweren Tritten und Cadentzen / außtantzē zu lassē /wie man dann solches in Teutschland in Ubung hat mit den sinnlosen Leuten / so mit der Kranckheit / die man S. Modesti und S. Veits Tantz nennet / behafftet sind.

Solchen Hexen-Tantz bekräfftiget auch Hildebrand26 / wann er schreibet: Da einsmals ein Bauers-Knecht am Gemörde der Pferde gewartet / und in einer Hütten ein wenig Feuers gehabt / war zu ihm eine Katz kommen / zu der er gesprochen / Kätzlein komme her zu mir und wärme dich / da sind eilens ein hauffen Katzen zusammen kommen / und die erste angehaben und einen Vortantz gethan / und die andern ihr gefolget / und also unter dem tantzen gesungen: Katzen-Thier kom her zu mir / sprach der gute Johann von Brehmen zu mir / (dann das war deß Knechts Name /) und wärme dich etc.27 Er war erstlich erschrocken /[330] da er auß einer Katzen-Gestalt Menschen Stimm hörete / als er aber einē Muth gefasset / hat er mit seiner Geisel umb sieb gehauē / und sie zerstöret.

Die Wanders-Leute / so zu nächtlicher weile auff dem Feld sind / und das Vieh hüten / sehen und erfahren viel wunderliche Gespenste / dann an vielen Orten in Mitternächtigen Ländern halten solche Geister oder Teuffels-Gespenster ihre Tantz-Krayse mit allerhand Gesang und Seiten-Spiel / deren Fußtapffen und Warzeichen bißweilen nach Auffgang der Sonnen in dem Thau gespüret werdē.28 Sie tantzen auch dē Boden oder das Erderich offtmals so tieff hinein / daß derselbige Ort gerings umbher scheinet / als sey er verbrent / daß weder Laub noch Gras mehr daselbst wechst. Solche wunderbarliche Nachtspiel heissen die Einwohner den Geister-Tantz oder Seelen-Tantz / und deutens also / daß sie sagen / alle die jenigen welche in Freuden und Wollüsten deß Fleisches leben / und allen bösen sündlichen Begierden den Zaum lassen / und denselben als leibeigene Knechte dienen / derselben Seelen / wann sie nun gestorben sind / müssen sich also auff Erden lassen umjagen / und mit ewiger Unruh gepeiniget werden.

Anno 1576. hat eine Frau ihren Mann mit müssen zur Hexen-Versamlung führen / als sie nun an den Ort kommen / hieß ihn sein Weib ein wenig zur seiten abstehen /[331] da er das schöne Geheimnüß gar übersehē konte / da merckte er daß sein Weib zuforderst / ihre Ehrerbietung dem Haupt und Vorsteher der Versamlung that / und daß derselbe sehr herrlich und köstlich / wie ein Fürst bekleidet war / und zu dienst umb sich herumb hatte eine grosse Menge Volcks von Männern und Weibern / die ihme alle Eyd und Gelübde gethan / lauffen hatte. Nach gethanen Reverentz sahe er / daß man einen runden Tantz oder Reigen hielte / doch daß sie das Angesicht auß den Reigen kehreten /also daß keines das andere ins Angesicht sehen konte / wie sonsten in andern gemeinen Tantzen pfleget zu geschehen / vielleicht auß diesem Bedencken / damit keines das Ander so leichtlich ins Gesicht faste / und es erkennen lerne / und hernach wann eines auß der Gespielschafft von der Obrigkeit gefänglich eingezogen und befraget würde / das Andere verrathe und angebe. Und diesen Punct mit dem tantzen belangend / hat auch bezeuget der Zauberer / von den dreyen Stiegen genant / welchem König Carolus IX. das Leben geschencket wann er seine Gefährtschafft angebe / derselbe sagt selber zum König in beywesen vieler grosser Herrn / daß wann er zum Hexen-Tantz vertragen würde / so finde er stets eine Unzahl solches Teuffels-ergebenes Gesindes / welches nachdem es einen Bock angebetet / und zu Ehren an den Hindern geküsset / so thue es einen[332] Tantz / Rücken an Rücken / und darauff pflege es fleischlicher Vermischung mit den Teuffeln.

Nach vollendeter Mahlzeit behielten auch die Geister ihre fremde angenommene Gestalt / unn ergreiff ein jeder Geist seine ihm anvertrauete Schülerin bey der Hand / fing an mit deroselben zu tantzen / welcher Tantz mit gantz widerlichen und seltzamen Affentheuerlichen Geberden verrichtet ward / dann die Rücken kehreten sie aneinander / die Hände schlossen sie in einen gerundeten Krayß zusammen; Die Köpffe schlugen sie und wurffen sie gleich den Wansinnigen und Närrischen.29 Etliche hielten brennende Windlichter in den Händen und neigeten sich zuvor für ihren Teuffel / und küsseten ihn / und sungen demselben zu Ehren garstige und unflätige Lieder. Einer von den Teuffeln saß auff einem doppelt-gespaltenē Baum / schlug auff der Drommel / der ander setzte sich bey ihn und spielete auff der Pfeiffen / unn machten den Andern einen lustigen Tantz.30 Ja es ging so seltzam unn wunderlich durch einander / daß man es nicht wunderlicher hette erdencken mögen.

Nicht aber sol jemand meinen / daß alle die jenigen / welche zu Zeiten bey den Hexen-Tantz gesehen werden / in diese Teuffels-Zunfft gehören; Sintemahl auß bewährten Historien genugsam bekant / daß der Teuffel derer Augen / so solchen Täntzen zugesehen / also verblendet[333] hat / daß ihnen gedaucht / sie sehen auch die allerfrömsten mit darunter / wie er sich also wol eher in deß heiligen Samuelis Gestalt verkappet hat. 1. Samuel. 28.31

Quelle:
Praetorius, Johannes: Blockes-Berges Verrichtung. Leipzig, Frankfurt 1669, S. 326-334.
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