300. Der Trompeten-Hai.

[114] Im Jahre 1819 im Winter gehen mehrere Einwohner von Stapelburg, einem Dorfe in der Grafschaft Wernigerode, des Nachts in das 1/2 Stunde von dem Orte gelegene Holz, um sich auf Handschlitten Winterholz zu holen; sie kommen da an eine Stelle, der Trompeten-Hai genannt, als sie beim Abhauen des Holzes sind, entsteht auf einmal ein so furchtbarer Sturm um sie herum, als wenn er alle Bäume entwurzeln wollte, wogegen sich in kurzer Entfernung kein Zweig am Baume rührt. Es wird auch auf der abseits gelegenen Heerstraße recht helle und sie hören Wagen fahren, ähnlich wie mit Bauholz beladen; wie sie nun aber nichts sehen, überläuft sie ein kalter Schauder, sie lassen alles Holz stehn und liegen und fahren mit ihren Schlitten wieder ledig nach Hause. Der Person nun, die dieses erzählte und deren Bruder mit dagewesen ist, war als junges Mädchen von 9 Jahren auf derselben Stelle im Holze etwas Ähnliches begegnet. Sie geht mit ihrem Vater des Nachts durch dieses Holz, um ihren Bruder, der am Brücknersstiege nahe am Brocken kohlte, zu besuchen; als sie eben an diese Stelle kommen und der Vater schon eine kleine Strecke vorauf gegangen war, steht das[114] Mädchen wie festgebannt, sieht vor sich eine große Grube, worin es so helle ist als schiene die Sonne hinein, während es um sie stockfinstre Nacht ist. Die Tochter fängt an zu weinen, ruft ihren Vater und spricht: Vater, hier kome eck nich herröwer, da is en grotes Lock, da fall' eck erinder; sie weint immer lauter, ihr Vater kommt zurück, faßt seine Tochter an und führt sie den Fußsteig fort. Das Mädchen, welches jetzt bereits eine Frau von 43 Jahren ist, behauptet es fest, daß es so gewesen wie sie erzählt hat, auch dem Vater ist es ein Räthsel gewesen, da er nichts gesehen hat.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 114-115.
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