Nr. 62. Die Ilsensteins-Jungfer.

[37] Im Ilsenstein war früher das Mitjanschloß. Davon geht noch die weiße Jungfer am Ilsenstein und der Ilsenstein hat eine eiserne Thür. Die Jungfer im Ilsenstein zeigt sich alle hundert Jahre in ihrer wahren Gestalt. Zu anderer Zeit zeigt sie sich als Schlange und wer sie so küßt, erlöst sie und bekommt den ganzen Ilsenstein.

In der Ilse befand sich ein Stein wie ein Tisch, darin war eine Rundung (ein rundes Loch), worin immer ein kleiner Wassersumpf stand. Jetzt ist der Stein zerschossen. Vor ihm wusch sich immer die Prinzessin um Sonnenaufgang.

Einen Köhler, dem die Pferde – schwarze mit Blessen waren's – fort waren, traf die Jungfer und führete ihn in[37] ein Gemach, wo Pferdemist lag und wo die Furcht vor einem großen Hunde ihn hinderte, ihr weiter zu folgen. Zum Ersatz für die Pferde gab sie ihm Pferdemist in den Sack und einen Blumenstrauß in die Hand. Wenn er über die dritte Brücke wäre, sollte er in seinen Sack sehen und an seinen Blumenstrauß riechen. Er roch aber schon auf der zweiten Brücke an seinen Strauß und da dachte er erst wieder an seinen Sack. Er sah hinein und weil noch Pferdemist darinnen war, schüttelte er ihn aus.

Die Ilsensteinsjungfer führte den Köhler in viele Zimmer. Als das Geschenk im Wasser klang, that sie einen Kreisch und sagte: nun müßte sie wieder eine Eichel pflanzen; wenn dann daraus eine Eiche gewachsen und daraus eine Wiege gehauen wäre, so könne der sie wieder erlösen, der darin geruht hätte.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 37-38.
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