Nr. 110. Hans von Hackelberg.

[71] Hans von Hackelberg war braunschweigischer Oberjägermeister und soll erst, wie einige sagen, wegen seiner guten Eigenschaften und seiner wissenschaftlichen Bildung in den Adelstand und zu hohem Range erhoben worden sein, wiewohl auch schon vor ihm ein Bohemund von Hackelberg bekannt war, der nicht diese guten Eigenschaften besaß und dabei auch ein leidenschaftlicher Jäger war. Mit seiner Ernennung zum Oberjägermeister erhielt Hans von Hackelberg auch zugleich den Befehl, eine große Jagd auf der Harzburg zu veranstalten. Einen Tag vor dem Beginne der Jagd reisete er dahin ab und träumete in der Nacht, daß er durch einen Keiler ums Leben kommen würde. Er nahm sich deshalb vor, an der Jagd nicht teil zu nehmen, und wurde in diesem Vorsatze noch durch das Zureden seiner Jagdgenossen bestärket. Die Jagd aber ging vor sich und ein ungeheurer Eber wurde geschossen. Der Kopf des Ungeheuers allein soll 75 Pfund gewogen haben. Jeder besah und bestaunte es, auch Hackelberg kam auf die Nachricht neugierig herbeigegangen, nahm den Kopf des Ebers in die Hand, um sein Gewicht zu taxieren, und sprach: »Du bist ja wohl das Untier, das mir das Leben nehmen sollte? Doch damit ist's jetzt zu Ende, du sollst mir nicht mehr schaden.« Damit ließ er den Kopf wieder fallen, und dabei ritzte ein Fangzahn ihm die Wade. Diese geringe Wunde wurde aber immer schlimmer und schlimmer, mehrere Ärzte wurden herbeigerufen, aber vergeblich. Hackelberg schrieb dies der Unwissenheit der Ärzte zu und hoffte in Braunschweig bessere Hilfe zu finden. Auf dem Wege dahin, den er auf einem Esel reitend antrat, mußte er der einbrechenden Nacht[71] halber in Wülperode bleiben, wo er ein Jagdschloß gehabt haben soll. Hier verschlimmerte sich sein Zustand, der kalte Brand trat zu der Wunde hinzu und machte seinem Leben ein Ende. Vor dem Tode wünschte er sich noch, daß er bis zum jüngsten Tage jagen müßte. Sein Wunsch ist ihm erfüllt und auf dem Fallstein sowie in der ganzen Gegend hört man oft ein Hundebellen und ein Rufen: hi! hau! das dem wilden Jäger Hackelberg zugeschrieben wird. In seinem Jagdzuge ist auch die Tutursel in Gestalt einer Eule. – Noch jetzt zeigt man Hackelbergs Grab im Garten des Klöpperkruges bei Wülperode. Das Grab bedeckt einen Hügel, der nur noch eine sehr geringe Erhöhung bildet, und in dem Grabsteine soll das Bild Hackelbergs, seines Esels und seiner Hunde eingehauen sein. Von der Umschrift soll nur noch zu lesen sein: domini 1581 den 13. Martii, und dies soll das Sterbejahr des wilden Jägers Hackelberg sein. Außerdem war um 1850 Herr Klöpper, der Wirt vom Klöpperkrug, gern bereit, den Fremden den angeblichen Helm Hackelbergs und den Halsharnisch seines Esels zu zeigen. Der Helm soll den jetzigen preußischen Pickelhauben ähnlich sehen, nur daß deren Spitze durch eine Eichel vertreten wird. Um 1840 sollen zwei hannöversche Offiziere Hackelbergs Grab geöffnet, darin den Hirnschädel vorgefunden und ihn mitgenommen haben. Wahrscheinlich, so meinte der Wirt vom Klöpperkruge, wird er jetzt auf dem Museum zu Hannover aufbewahrt. Der Klöpperkrug selbst soll Hackelbergs wülperöder Jagdschloß sein und war bis zur westfälischen Zeit abgabenfrei.

Es ward uns auch erzählt, daß der braunschweigische Oberjägermeister Hackelberg zu Uslar im Hannöverschen seinen Tod durch den Eber gefunden habe. Dort habe er in seinem Testamente verordnet, daß sein Schimmel ihn an die Stelle ziehen solle, wo er begraben würde, und daß da seine Ruhestätte sein solle, wo dieser zum ersten male stehen bliebe. Das wurde nicht geachtet und wurden vier Braune vor den Trauerwagen gespannt, die zogen den Leichenwagen ins Holz, blieben aber mit ihm in einem großen Sumpfe stecken. Hackelbergs Schimmel war leer nebenher gelaufen, wie ein Hund, und als die Braunen den Leichenwegen nicht wieder aus dem Sumpfe[72] ziehen konnten, spannte man den Schimmel vor den Leichenwagen, da lief der Wagen von selbst zum hohen Moosberge im Solling hinauf. Auf des Berges Mitte hielt der Schimmel an und wich nicht von der Stelle, soviel man ihn auch antrieb. Also ward Hackelberg an der Stelle begraben, jetzt aber weiß niemand mehr sein Grab. Einst fand es ein Kuhhirt auf und hängte seinen Kittel und Hut an seinem Stock darüber, ging ins nächste Dorf und sagte: er habe Hackelbergs Grab gefunden. Da strömten alle Bauern hin, als sie aber ans Grab kamen, saß eine Eule darauf, des Schäfers Sachen aber waren weit umhergeworfen, Hut und Stock lagen diesseits und der Kittel jenseits des Berges. – Häufig necken die Jungen im Solling den Hackelberg und rufen: Hui, hui, piff, paff, piff, paff. Dann wirft er ihnen Fleisch zu und ruft:


Wollt ihr mit helfen jagen,

Sollt ihr auch helfen knagen.


Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 71-73.
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