II.

[112] In dem vorigen Betriebe der Silbernaaler Gruben haben sie einen Kunstknecht gehabt, der hat am Sonnabend, als die Bergleute Schicht gemacht haben, dem Kunstjungen alles übergeben, ist nach Zellerfeld gegangen und hat da sich verweilet bis den Montag Nacht um Zwei. Dem Jungen hat er angekündiget, es möge geschehen, was da wolle, so solle er nicht hineinfahren. Wie er nun zurückkam, stand das ganze Gesenke (die Tiefe) voll Wasser und da sind sie eingefahren, er hat aber dem Kunstjungen angekündiget, es möge geschehen, was da wolle, so möge er nichts sagen, sondern nur immer Acht geben, auf daß ers auch so machen könne, wenn er einmal Kunstknecht wäre. Als nun der Kunstjunge zusahe, so ging das Wasser ohne weiteres an den Wänden herauf. Da sie nun herauskamen, war das ganze Gesenke schon leer und da waren auch schon die Frühschichter, die fuhren hinein und konnten ohne weiteres ihre Arbeit beginnen. Der Kunstjunge hatte auch niemand etwas verraten, wiewohl die Leute in Zellerfeld wußten, daß der Kunstknecht zu Haus war und sich in der Zeit nicht um die Kunst bekümmerte. Endlich drohte aber der Geschworner dem Kunstjungen[112] mit Ablegen (Dienstentlassung), wenn er nicht bekenne, und da hat er gesagt, was er gesehen hat. Sobald ers aber ausgesprochen hat, ist er tot zu Boden gestürzet. Der Kunstknecht aber ist verschwunden und soll auch der alte Markscheider mit ihm fortgegangen sein, der den Dammgraben angelegt und, wie das Volk sagt, verpfuscht hat, und der soll alle die alten Kunstrisse vom Harze mit sich genommen haben.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 112-113.
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