II.

[163] Zimmerleute hauten einmal zur Winterszeit am Bruchberge Bauholz. Als sie da des abends in ihrer Köte um das Feuer herumlagen, ihr Abendbrot verzehren und eben den Braten vom Feuer nehmen wollten (es ist ein Hinterzimmer von einem Reh gewesen, das sie gehabt), da gings hinten im Walde: »Hoho! hoho!« und dazwischen klafften die Hunde. Den Zimmerleuten wurde angst und bange, einer aber war keck, fürchtete sich vor nichts und sprach: »Was gilts? Das ist der wilde Jäger! Den muß ich sehen.« Gleich darauf kam auch der wilde Jäger heran mit seiner ganzen Schar. Der kecke Zimmermann ging vor die Köte und als der Jagdzug vorüber war, schrie er spottweise: »Hoho! hoho! hoho!« Im Augenblicke kehrete die Schar wieder um, vor der Köte vorbei, und der Zimmermann bekam eine Ohrfeige, daß er wie tot niederfiel. Zur Thüre herein aber flog eine schwarze Masse und stürzte ins Feuer, daß den Zimmerleuten die Kohlen und die Asche um die Köpfe flogen. Als sie sich erholet hatten und Licht anzündeten, war der Rehbraten verschwunden und statt seiner lag eine Pferdelende auf dem Herde. Der Zimmermann aber, der die Ohrfeige bekam, hat seit der Zeit nie wieder den wilden Jäger nachgekabbelt.[163]

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 163-164.
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