Nr. 260. Der silberne Nagel.

[243] Am Markte, im Kaufmann Kerstschen Hause, wohnete ein Steiger, der suchte Silber, konnte aber nichts finden. Da erschien ihm zuletzt eine weiße Jungfer und fragete, was er da suchte. Er sagte es. Sie sprach, wenn er sie erlösen und ihr nicht vorhalten wollte, daß sie ein Geist gewesen ist, so wollte sie ihn heiraten. Er willigte ein. Sie hielt einen silbernen Nagel in der Hand und sagte, wo sie den silbernen Nagel einschlüge, solle er auch einschlagen. Sie schlug den Nagel ein unter dem Auerberge und der Schacht heißt noch: »der silberne Nagel«, ein Wegweiser weist dahin am Wege nach dem Auerberge (Josefshöhe). Einst verunwilligte sich der Steiger mit seiner Frau und sagte: »O du erbärmlicher Erdenkloß! Dich hab' ich erst erlöset!« Seitdem geriet der silberne Nagel in Verfall.

Andere erzählen: Die Jungfer vom silbernen Nagel hieß Georgine. Ihr Nagel war sechs bis sieben Zoll lang, die Silberader sieben bis acht Fuß stark. Sie stürzete sich zuletzt in den Schacht und man fand seitdem keine Erze mehr. Oft sahen die Bergleute den Berg- oder Erdgeist, welcher diese Georgine war, aber nur wie einen Schein, dann war sie wieder verschwunden. Als Fremde einst auf ihre Kosten das[243] Bergwerk wieder aufnehmen wollten, höreten stolbergische Arbeiter eine wundervolle Musik in der Teufe. Sie gingen der Musik nach und fanden zwei tanzende Personen, die weiß gekleidet waren, und noch eine Mannsperson. Da sie sie aber genau ansehen wollen, verschwinden sie in einer Ecke, wo die starke Erzader wiedergefunden war. Dies wurde einem Stolberger Offizianten gemeldet, der sprach: »O, ihr Thoren, was wollet ihr Fremden diese Erze lassen? Lasset sie stehen für Stolberg.« Sie mußten diesen Gang wieder verschütten, nun finden sie aber keine Erze wieder. Die Bergleute behaupten, daß die Erze von dem Berggeiste insgeheim erhalten würden.

Der silberne Nagel giebt seine Schätze nicht eher wieder her, als bis ein Rosenstock von sieben Ellen und ein weißer Sperling auf dem Schlosse zu finden ist.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 243-244.
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