Erster Auftritt

[195] Der alte Herr Gotthart. Heinrich, der allerlei Tee- und Kaffeegeräte bringt und es auf einen Tisch setzt.


HERR GOTTHART. Nun, Heinrich! ist alles fertig? kann ich die Fremden nur herauf nötigen?

HEINRICH. Ja, mein Herr Gotthart, ich und der Kaffee, wir sind fertig. Wo sonst nichts mehr fehlt, so können Sie sie nur herbringen.

HERR GOTTHART. Nun, so will ich sie holen ... Aber ... es ist gut, daß ich eben dran denke, Heinrich: hättet Ihr mir heute zu Mittage nicht bald den ganzen Handel verderbt?

HEINRICH stutzt. Wieso, Herr Gotthart?

HERR GOTTHART. Daß Ihr den Brief von den Fremden meinem Sohne gabt. Wenn er ihn nun erbrochen hätte; da würde es schön verschwiegen gewesen sein. So nachlässig seid ihr Leute!

HEINRICH. Je, mein Herr Gotthart, wie konnte ich wissen, daß der Brief an Sie wäre! Es stand ja Monsör drauf; und solche alte Leute, wie Sie sind, die heißen nicht mehr Musge.

HERR GOTTHART. Ja, warum nicht? und wann ich auch einem Bürgermeister schriebe, so würde ich ihn doch Monsieur nennen. Monsieur heißt soviel als Herr.

HEINRICH verwundernd. So? Ja, jetzt besinne ich mich. Das Mädchen, die ihn brachte, sagte auch, er wäre an den Herrn. Indessen jetzo heißt doch alles Herr, was nur zween Beine am Leibe hat. Wer kann sich in soviel Herren finden?

HERR GOTTHART. Jawohl! wenn Ihr nur nicht so unachtsam wäret. Habe ich Euch nicht hundertmal gesagt, wenn Briefe kämen, darauf mein Name steht, so sollt Ihr sie mir zuerst bringen?

HEINRICH. Wenn sie nun aber an den Musge Gotthart, an den jungen Herrn, sind?

HERR GOTTHART. Das schadet nicht! was die Leute an meinen Sohn schreiben, das werde ich auch wohl lesen können.

HEINRICH. Nun, da sieht man's! So manches Haus, so manche Weise![195] Als ich bei meinem vorigen Herrn war, so mußte ich, wenn eine Magd einen Brief brachte, ihn immer erst dem jungen Herrn zeigen.

HERR GOTTHART. Ja, der junge Herr mag ein lustiger Kauz gewesen sein! Gottlob! daß mein Sohn zu solchen Streichen nicht geneigt ist! Aber, potztausend! daß der Kaffee nicht kalt wird! Ich muß gehen. Er geht ab.


Quelle:
Die bürgerliche Gemeinschaftskultur der vierziger Jahre. Herausgegeben von Prof. Dr. Brüggemann, Leipzig 1933, S. 195-196.
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