Vierter Auftritt

[201] Die Vorigen. Herr Dr. Muskat.


DR. MUSKAT. Ihr Diener, mein Herr Gotthart. Ich bin zwar vorhin mit einigem Unwillen von hier gegangen; allein wenn ich es recht bedenke, so ist's doch eine Gewissenssache, daß ich Sie so gar verlassen soll.

ERNST GOTTHART. Sie sind gar zu gütig, mein Herr Doktor.

DR. MUSKAT. Wie befinden Sie sich denn anjetzt?

ERNST GOTTHART. Anjetzt ist es zwar noch so ziemlich; vor einer Stunde aber war mir sehr übel.

JUNGFER FRÖHLICHIN lachend. Ja freilich! wenn man auch zum Basilisken wird; da kann einem wohl nicht gut zumute sein.

FRAU KREUZIN. Ach, lieber Herr Doktor, ich liege an einerlei Krankheit mit dem Herrn Gotthart. Geben Sie mir doch immer einen guten Rat, mein Herr Doktor!

DR. MUSKAT. So? so sind Sie auch eine Hypochondriaca? Was haben Sie denn bisher gebraucht?

FRAU KREUZIN. Ach! ich möchte fast sagen, alles! Ich habe den Selzer, den Pyrmonter, den Egerschen Brunnen gebraucht ...

DR. MUSKAT. Da haben wir's! mit dem verwünschten Wasser! Ich sage es Ihnen, das Wasser ist den hypochondrischen Leuten wie ein Gift. Nehmen Sie doch um des Himmels willen, Herr Gotthart, meinen Rat an, und trinken Sie keine Brunnen: sonst sind Sie des Todes.

ERNST GOTTHART erschrocken. Ei! beileibe nicht.

FRAU KREUZIN. Endlich bin ich es überdrüssig geworden und habe mir jetzt vorgenommen, eine Reise nach Hamburg zu tun: ob mir etwa die dortige Luft besser bekommen möchte als die hiesige. Sie schieben doch alle meine Krankheit auf die hiesige Luft.

DR. MUSKAT. Ei! Sie haben in Hamburg so gut Hpochondriacos, als wir sie hier haben.

JUNGFER FRÖHLICHIN lacht. Ja, das denke ich auch![201]

DR. MUSKAT. Indessen kann Ihnen die Veränderung und Bewegung auf der Reise schon gut bekommen. Ich will Sie heute oder morgen einmal besuchen, Frau Kreuzin.

FRAU KREUZIN. Mein lieber Herr Doktor, in zwo Stunden bin ich nicht mehr hier. Der Wagen steht schon vor meiner Türe.

DR. MUSKAT. Ei! das ist schade! Sie müssen doch etwas mit auf die Reise nehmen. Es könnte Ihnen ja unterweges was zustoßen.

FRAU KREUZIN. Ja freilich wohl. Ich werde es aber kaum abwarten können.

DR. MUSKAT. Ei! mein lieber Herr Gotthart. Sie haben oben noch soviel Arzeneien stehen, die ich Ihnen bisher verschrieben habe. Es ist fast noch alles da. Lassen Sie sie doch herunterholen. Ich will geschwinde eine Komposition für die Frau Kreuzin zusammengießen. Man kann doch die arme Frau nicht unterweges darben lassen.

ERNST GOTTHART. Von Herzen gerne. Was ich habe, das ist alles zu Ihren Diensten. Er steht auf und ruft den Heinrich.

FRAU KREUZIN. Ich bin Ihnen für Ihre Dienstfertigkeit sehr verbunden, mein Herr Gotthart.

JUNGFER FRÖHLICHIN. Wenn ein Hypochondrist dem andern hilft: so freuen sich die Engel im Himmel.


Quelle:
Die bürgerliche Gemeinschaftskultur der vierziger Jahre. Herausgegeben von Prof. Dr. Brüggemann, Leipzig 1933, S. 201-202.
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