Des Authors Prologus.

[4] Sehr treffliche Zecher, und ihr meine kostbaren Venusseuchling, (denn euch und sonst niemandem sind meine Bücher zugeschrieben) Alcibiades, in dem Gespräch des Platon die Zech betitelt, sagt unter anderen Reden zum Lob seines[4] Meisters Sokrates, welcher ohnstreitig der Weltweisen Kaiser und König war, daß er sey gleich den Silenen gewesen. Silenen waren vor diesem kleine Büchslein, wie wir sie heut in den Läden der Apotheker sehen, von außen bemalet mit allerlei lustigen, schnakischen Bildern, als sind Harpyen, Satyrn, gezäumte Gänslein, gehörnte Hasen, gesattelte Enten, fliegende Böck, Hirschen die an der Deichsel ziehen, und andre derley Schildereyen mehr, zur Kurzweil konterfeyet um einen Menschen zu lachen zu machen: wie denn des guten Bacchus Lehrmeister Silenus auch beschaffen war. Hingegen im Innersten derselben verwahrt' man die feinen Spezereyen, als Balsam, Bisam, grauen Ambra, Zibeth, Amomum, Edelstein und andre auserlesne Ding. So, sagt er, wär auch Sokrates; weil ihr denselben von aussen betrachtend und äusserm Ansehn nach schätzende, nicht einen Zwiebelschelff für ihn gegeben hättet: so häßlich war er von Leibesgestalt, so linkisch in seinem Bezeigen, von Spitznas, Augen wie eines Stieres Augen, Narren-Antlitz, einfältiger Sitten, bäurisch in Kleidung, arm an Vermögen, bey Weibern übel angesehen, untauglich zu allen Aemtern im Staat, immer lachend, immer Jedem zutrinkend, immer Leute foppend, immer und immer Versteckens gespielt mit seiner göttlichen Wissenschaft. Aber, so ihr die Büchs nun eröffnet, würdet ihr inwendig funden haben himmlisch unschätzbare Spezereyen: einen mehr denn menschlichen Verstand, wunderwürdige Tugend, unüberwindlichen Standmuth, Nüchternheit[5] sonder gleichen, feste Genügung, vollkommenen Trost, unglaubliche Verachtung alles dessen darum die sterblichen Menschen so viel rennen, wachen, schnauffen, schiffen und rauffen.

Wohin (denkt ihr in euern Gedanken) zielt doch dieß Vorspiel, dieser Probschuß? Dahin, daß ihr meine guten lieben Jüngerlein und etlich eurer Mitmaulaffen, wann ihr die lustigen Titel etlicher Bücher von unsrer Erfindung leset, als: Gargantua, Pantagruel, Stürzbecher, die Würdigkeit der Hosenlätz, von Speckerbsen cum commento etc., allzuleichtfertig urtheilt es werd darinnen nichts abgehandelt als eitel Spottwerk, Rarreteiden und lustige Lügenmährlein, hinsichts ihr äusserlich Sinnschild (das ist der Titel) ohn weitre Untersuchung gemeinlich für Possen und Schimpff geachtet wird. Aber also leichtfertiglich ziemt sich nicht Menschenwerk abzuschätzen; denn ihr pfleget doch selbst zu sagen, daß das Kleid nicht den Mönch mach, und ist mancher verkappt in eine Mönchskutt, der innerlich wenig vom Mönchthum weiß; geht auch wohl mancher im spanischen Mantel, dem sein Sinn nimmer nach Spanien stehet. Derhalb soll man das Buch recht aufthun und was drinn ausgeführt sorglich erwägen. Dann werd ihr merken daß die Spezerey drinn wohl von einem andern und höheren Werth ist, als euch die Büchs verhieß: will sagen, daß die hie beregten Materien nicht allerdings so thörigt sind, als es die Ueberschrift vorgeschützt.

Und auf den Fall gesetzt daß ihr auch im buchstäblichen Sinn genugsam lustige Ding anträfet und die sich wohl zum Namen schickten, sollt ihr doch gleichwohl hieran nicht hafften bleiben wie am Sirenen-Sang, sondern vielmehr im höheren Sinn auslegen was ihr vielleicht nur Scherzes halber gesagt zu seyn vermeinet hattet. Zogt ihr auch je einer Flaschen den Pfropf aus? Ei potz Zäpel! so denket zurück[6] wie ihr euch dazu angestellet. Oder sahet ihr je einen Hund, wann er ein Markbein am Wege fand? Dieß ist, wie Plato Lib. 2 de Rep. schreibt, das philosophischste Thier der Welt. Wenn ihrs gesehen habt, habt ihr wohl merken können wie andächtig er es verschildwachtet, wie eifrig ers wahrt, wie hitzig ers packt, wie schlau ers anbricht, wie brünstig zerschrotet, wie emsig aussaugt. Wer treibt ihn an also zu thun? Was ist die Hoffnung seiner Hundsmüh? Was vermeinet er hieraus guts zu erlangen? Nichts weiter als ein wenig Mark: wenn schon in Wahrheit dieses Wenig weit köstlicher denn alles Viel der anderen Ding ist, in Obacht das Mark eine Nahrung, so zur Vollkommenheit der Natur ist erwirket worden, wie Galenus spricht III. facult. nat. et XI. de usu partium.

Nach dessen Fürbild nun ziemet euch Klugheit, daß ihr fein riechen, wittern und schätzen mögt diese edeln Schrifften vom dicken Schmeer, die man zwar leichtlich pürschen mag, schwer aber treffen: dann mittelst fleißigen Lesens und steter Betrachtung das Bein erbrecht und den substantialischen Mark draus sauget, dieß nämlich was ich unter diesen Pythagorischen Symbolis verstanden hab, in gewisser Hoffnung daß euch solch Lesen witzigen und erleuchten wird. Denn ihr sollt wohl einen anderen Schmack und tiefverborgenere Lehr drinn finden, die euch höchstüberschwengliche Sacrament und schaudervolle Mysterien offenbaren wird, beydes was unsre Religion, als Welt-und Regentenstand, wie auch die Hauszucht angeht.

Glaubt ihr auch wohl, auf euern Eyd, daß Homerus, als er die Ilias und Odyssee schrieb, jemals an die Allegorien gedacht hab die aus ihm auskalfatert Plutarchus, Eustathius, Phurnuthus, Heraklides Ponticus und was[7] aus ihnen Politian gestohlen hat? Wo ihr es glaubt, kommt ihr weder mit Händen noch Beinen zu meiner Meinung die besagt, daß dem Homero dergleichen so wenig im Traum erschienen als dem Ovid in seinem Metamorphosen die evangelischen Sacrament, wie sie ein Bruder Hans Laff und wahrer Speckschnäppel sich drinn zu erweisen gemartert hat, ob er vielleicht mehr Narren wie Er, und wie man spricht, Deckel auf seinen Topf fänd.

So ihr es aber nicht glaubt, ey was wehret euch mit dieser muntern und neuen Chronik nicht eben auch also zu thun? Wiewohl Ich, derweil ichs dictirt, so wenig drauf gedacht hab als ihr, die ihr wohl trinkt so gut als ich. Denn ich mit Stellung dieses sehr herrlichen Buches kein ander noch mehr Zeit verthan noch verdorben hab als die ich mir zu Einnahm meiner Leibesnahrung fürbestimmt hätt, nämlich während Essens und Trinkens. Auch ist dieß just die rechte Stund, da man von so erhabenen Dingen und tiefen Scienzien schreiben soll.

Wie sich gar wohl darauf verstanden Homerus, der Spiegel aller Schrifftgelahrten und Ennius, der lateinischen Poeten Ziehvater; wie Horaz bezeuget: wenn schon ein Mollkopf behaupten will daß seine Vers mehr nach Wein denn nach Oel röchen.

Dergleichen sagt nun ein Thier-Lupin auch von meinen Büchern. Aber ich ach ihn einen Quark. Weingeruch, o[8] wie weit nützlicher, schützlicher, kützlicher, himmlisch holdseliger ist er doch als des Oeles! Und werd mirs zu keinem geringern Ruhm anrechnen, daß man von mir sag ich hab in Wein mehr aufgehn lassen denn in Oel, als Demosthenes thät, da man ihm nachsagt' er hätt in Oel mehr verthan denn in Weine. Ich für mein Theil kann nur Ehr und Ruhm davon haben, so man mich für einen guten Schlucker und Kunden mit gelten und laufen läßt. Bin unter dem Namen gern gesehen bei allen guten Pantagruelsbrüdern. Dem Demosthenes hats ohnhin ein Sauertopf längst vorgeruckt daß seine Reden wie eines alten garstigen Oelhökers Kram-Plan röchen. Derhalb legt meine Wort und Werk zum allervollkommensten aus, habt Ehrfurcht vor dem käsförmigen Cerebro das euch mit diesen schönen Schaumbläslein ätzet und, so viel an euch, bleibt mir fein allzeit guter Ding.

Nun so erlabt Euch dran, lieben Schätzlein: lests fröhlig all zu Leibestrost und Nierenfrommen. – Buescht! Hundsfisli! daß euch der Wolf ins G'säß schlag! Wollt ihr mir gleich mein Gottslohn trinken? Ich werd euch auch plötzli Bschaid thun.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 4-9.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel