Achtes Kapitel.

[31] Wie man Gargantua kleiden thät.


Als er zu diesem Alter kommen, befahl sein Vater ihm Kleider zu machen nach seinen Farben, weiß und blau. Da ward sogleich Hand angelegt, und wurden gemacht,[31] genäht, geschneidert nach damal cursirender Landes-Mod. Aus den alten Archiven der Rechnungskammer zu Montsoreau erseh ich daß er in folgender Art bekleidet war:

Zu seinem Hemd wurden ausgehoben neunhundert Elen Leinwand von Chastelleraud, und zweyhundert zu den Zwickel-Kißlein unter die Achseln. Und ward nicht gefältelt; denn das Fälteln der Hemden ist erst aufkommen seit die Nähterinnen die Spitzen ihrer Nadeln zerbrochen haben und mit dem Oehr zu handieren begonnen.

Zu seinem Wams wurden ausgehoben achthundert dreyzehn Elen weißer Atlaß, und zu den Nestelschnüren fünfzehnhundert neun und ein halb Hundshäut, denn damals fing die Welt an die Hosen an das Wams zu henken, nicht das Wams an die Hosen, denn es lauft dieß der Natur zuwider, wie ausführlich darthut Ockam über die Exponibilien des Meisters Beinkleiderios.

Zu seinen Hosen wurden erhoben eilfhundert fünf und ein Drittel Elen weissen Sammets, und waren gemützert in Form geriefter crenelirter Säulen hinten, damit sie ihm nicht die Nieren erhitzten; die Mützen aber mit blauem Dammast innwendig geflitzert so viel als nöthig: und ist zu merken daß er sehr schön beschienbeint war und in der rechten Proportion zu seiner übrigen Leibesstatur.

Zu seinem Hosenlatz wurden erhoben sechzehn und ein Viertel Elen des nämlichen Zeuges, und war gestalt wie ein Strebebogen gar lustig zwischen zwey schöne güldene Rinken gespannet, in die zween Hefftel von Glockenspeiß eingriffen, und in jedem derselben war ein dicker Smaragd von der Größ eines Pomeranzapfels eingefaßt. Denn es hat dieser Stein, (wie Orpheus Libro de Lapidibus, und Plinius Libro[32] ultimo lehren) erectivische und stärkende Kraft des natürlichen Gliedes. Des Latzes Schlitz war einen Stab lang, gemützert wie die Hosen und mit blauem Dammast gepufft wie oben. Hättet ihr aber erst die schöne Verbrämung von Cantille gesehen, und das artige güldene Stickwerk dran, besetzt mit feinen Demanten, feinen Rubinen, feinen Türkisen, feinen Smaragden und Persischen Perlen: so würdet ihr ihn einem schönen Horn des Ueberflusses verglichen haben, wie ihr auf den Antiken seht und wie sie Rhea den beyden Nymphen Adrastea und Ida, denen Ammen Jupiters verehrt'. Stets prächtig, trächtig, übersäftig, immer grünend, immer blühend, früchtesprühend, voller Blüthen, voll aller Frucht und Herrlichkeit. Gott sey mein Zeug ob nicht der Latz ein stattlichs Aussehn hätt', doch werd ich euch davon noch ganz andre Ding berichten in dem Buch das ich von Würdigkeit der Lätz verfaßt hab. Eins aber sollt ihr dennoch wissen: daß er, obschon so lang und breit, doch innerlich sehr wohl verproviantiret und beschlagen war, in keinem Stück den heuchlerischen Schein-Lätzen einer ganzen Schaar von Schleckern ähnlich, als in welchen zu großem Präjudiz der Weibsleut, gar nichts enthalten ist denn Wind.

Zu seinen Schuhen wurden erhoben vierhundert sechs Elen karmesinblauen Sammets und wurden zierlich gemützert in parallelischen Linien, durch gleichförmige Cylinder verbunden. Zu Besohlung derselben nahm man eilfhundert braune Kühhäut, geschnitten nach der Stockfischschwänzenart.

Zu seinem Leibrock wurden erhoben achtzehnhundert Elen blauen, wohl im Grän gefärbten Sammets, rings mit schönem Laubwerk bordirt, und in der Mitten mit silbernen Bechern von Cantille, umgestülpt unter güldenen Sparren mit dichten Perlen, anzuzeigen daß er ein guter Stürzbecher zu seiner Zeit würd werden.

Sein Gürtel war aus dreyhundert und einer halben Elen Seiden-Sarsch, halb weiß, halb blau, wofern ich nicht sehr irr.

Sein Degen war nicht von Valenz, noch auch sein Dolch von Saragossen; denn sein Vater hasset' dieß ganze vermauschelte[33] Indalgos- und Bourratschenvolk wie Teufel: sondern er hätt einen schönen Degen von Holz, und einen Dolch von gummiertem Leder, so fein verguldet und gemalt wie sichs nur einer wünschen mocht.

Sein Seckel war aus dem Hodensack eines Oriflanten gefertigt, der ihm Myn Heer Prakontal Statthalter in Lybien verehret.

Zu seinem Mantel wurden erhoben neuntausend sechshundert weniger zwey Drittel Elen blauen Sammets, wie oben, ganz mit Gold durchfadmet in diagonalischer Figur: welches nach richtiger Perspektiv eine unbekannte Farb gab wie ihr an Turteltaubenhälsen sehet, allen denen die ihn sahen ein unvergleichlicher Augentrost.

Zu seinem Barretlein wurden erhoben dreyhundert zwey und ein Viertel Elen weissen Sammets und war die Form desselben weit und rund nach Umfang des Hauptes; denn sein Vater sagt' daß diese heutigen Barretlein auf Marrabesisch, wie ein Pastetensatz gestaltet, noch eines Tages ihren Verstutzten schlimme Händel zuziehn würden. Statt Federbusches trug er eine schöne grosse blaue Feder von einem Onokrotalus aus dem wilden Hyrkanien, die ihm gar zierlich übers rechte Ohr hing. Zu seiner Medaille führt' er in einer güldenen, achtundsechzig Mark schweren Platten eine Figur von gleichem Schmelzwerk, worinn ein menschlicher Leib bossirt war mit zween Köpfen, den einen gegen den andern gedreht, vier Armen, vier Beinen, und zween Aerßen, wie Plato in Symposio sagt daß die menschliche Natur in ihrem mystischen Ursprung beschaffen gewesen, und stund darum mit ionischen Lettern geschrieben: ΑΓΑΙΙΗ ΟΥ ΖΗΤΕΙ ΤΑ ΕΑΥΤΗΣ.

Sein gülden Kettlein das er am Hals trug, wog fünfundzwanzigtausend[34] sechzig drey Mark Goldes in Form grosser Beeren, mit grünen rauh geschliffenen Jaspissteinen durchzogen, die wie Drachen graviret und geschnitten waren, sämmtlich mit Strahlen und Funken umzirkelt, wie einst der König Necepsos trug: und hing ihm bis zum obern Buckel des Bauchs herunter; davon er dann sein Lebelang den Nutzen spürt', welcher den griechischen Aerzten bewußt ist.

Zu seinen Handschuhen wurden verschnitten sechzehn Koboldsfell, und zum Vorstoß dran drey Währwolfshäut; und wurden ihm also zugericht nach dem Rath der Cabalisten zu Sainlouand. Von Ringen (deren ihn sein Vater zu Erneuerung des Zeichens alter Ritterschaft tragen ließ) hätt er am Zeigefinger der Linken einen Karfunkel von der Größ eines Strauseneyes, in feines Seraphsgold zierlich gefaßt. Am Arztfinger eben dieser Hand hätt er einen Ring aus den vier Metallen allzumal, auf die wunderbarste Art verfertigt, die man noch je mit Augen gesehen: denn weder verschlang der Stahl das Gold, noch bracht das Silber das Kupfer unter. Alles gemacht durch Hauptmann Chappuys, und seinen guten Factor Alcofribas. Am Arztfinger der Rechten hätt er einen Ring in spiralischer Form, darein ein vollkommner Balas-Rubin, ein ausgespitzter Demant, und ein Smaragd vom Physon unschätzbaren Werthes gefaßt waren. Denn Hans Carvel, Gross-Juwelier des Königs[35] von Melindien schätzt' sie zusammen auf neunundsechzig Millionen, achthundert vierundneunzigtausend und achtzehn lange Wollenhammel. So hoch habens auch die Fuckart von Augspurg geschätzet.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 31-36.
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