Zwölftes Kapitel.

[46] Von des Gargantuä Steckenpferden.


Hierauf, damit er all sein Lebtag ein guter Reiter wär, macht' man ihm ein schönes grosses Pferd von Holz: das ließ er paradiren, tummeln, voltigieren, sprengen, tänzeln, alles zugleich, im Schritt, im Trott, im Mittelschritt, Galop, Paß, Hoppas, im Kleppergang, im Kamelin, Harttrab, Waldeseltritt, und färbt ihm das Haar um, wie die Mönch ihre Alben nach den Festen, in kästenbraun, in fuchsroth, apfelgrau, rattenfarb, hirschhaar, rothschimmel, kühfahl, muschigt, scheckigt, älstersprenklich, weiß.

Er selbst macht' ihm aus einem grossen Trämel ein Pferd zur Jagd, ein andres aus einem Trottbaum zum täglichen Brauch, und aus einem dicken Eichenstamm ein Maulthier samt der Schabrack fürs Zimmer. Ausserdem hätt er ihrer noch zehn bis zwölf zur Umspann und sieben zur Post, und nahm sie auch Nachts alle mit zu Bett. Einmal besucht' der Herr von Qualimsack seinen Vater mit grosser Suit und Anhang, auf welchen Tag deßgleichen auch der Herzog von Offentisch und der Graf von Nasengüsel schon bei ihm eingesprochen waren.

Mein Treu! Da ging das Losament was knapp her für so vieles Volk, und sonderlich die Pferdeställ. Der Hofmeister[46] also nebst dem Furirer gedachten Herren von Qualimsacks, um zu erforschen ob es im Haus noch sonst wo ledige Ställ hätt, wandten sich an das junge Männlein Gargantua und fragten ihn heimlich wo die Ställ für die grosse Pferd wären, denn sie gedachten daß Kinder gern alle Ding ausschwatzen und offenbaren. Da führt' er sie die grosse Schloßtrepp hinan, durch den zweyten Saal auf einen langen Gang, aus dem sie in einen dicken Thurm kamen. Wie es nun wiederum andere Stiegen hinauf ging, spricht der Furirer zum Hofmeister: dieß Kind narret uns, denn niemals sind doch die Ställ zu oberst im Haus. – Da seyd ihr schlecht bericht antwortet der Hofmeister, denn ich weiß Ort zu la Basmette, Lyon, Chaisnon und anderwärts, wo die Ställ im obersten Stock sind: wird also wohl hie hinten ein Pförtlein zum Auftritt seyn. Frug also den Gargantua: Mein kleiner Schatz, wo führt ihr uns hin? – Zum Stall, sprach er, wo meine grosse Pferd stehen; werden gleich da seyn, steigt nur noch die Paar Stiegen. Darauf bracht er sie wieder durch einen andern grossen Saal und führt' sie endlich in seine Kammer, zog die Thür zurück und ruft': da sind die Ställ, die ihr begehrt, da ist mein Spanier, mein Wallach, mein Schweisfuchs, mein Gaskonier. Und nahm einen schweren Hebebaum, packt' ihn den Beyden auf und sprach: diesen Friesländer schenk ich euch; hab ihn von Frankfurt, er soll aber euer seyn: ist ein gut Rößlein; so klein es ist, so hart und arbeitssam ist es: mit einem Habichtmännlein, einem halben Dutzend Bracken und ein Paar Windhunden seyd ihr Hasen- und Hühnerkönig' den ganzen Winter. – Beym Sankt Johannes! sprachen sie, da kommen wir schön an. Dießmal han wir den Mönch im Sack. – Das leugn ich euch, sprach er, seit drey Tagen ist er uns nicht ins Haus gekommen.[47] Hie rathet nun, ob sie sich eher vor Schaam in die Erd verkriechen oder vor Lachen hätten bersten mögen über den Schnack. Enteilten also sporenstreichs wieder hinunter ganz verplüfft. Da frug er sie: Wollt ihr auch einen Beißkorb? – Was ist das? sprachen sie. – Fünf Drecker, antwortet' er, euch zum Kappzaum. – Und wenn man, sprach der Hofmeister, uns auch heut noch briet, würden wir doch nicht am Feuer verbrennen, so trefflich mein ich, sind wir gespickt. Ei kleiner Schatz, du hast uns mal das Heu wohl auf die Hörner gebunden: will noch erleben daß du Papst wirst. – Das mein ich, sprach er, und dann seyd ihr der Papelfink, und dieser feine Papa hie wird mein Papagey. – Schon gut, schon gut, spricht der Furirer. – Aber rathet mal, sprach Gargantua, wie viel Nadelstich hat meine Mutter in ihrem Hemd? – Sechzehn, spricht der Furirer. – Du sagst auch kein Evangelium, antwort Gargantua, vierzehn sind ihrer hinten, und fünfzehn vorn, hast schlecht gezählt. – Wann eher? fragt der Furirer. – Damals, spricht Gargantua, als man aus deiner Nas einen Hahn macht' um ein Ohm Dreck damit abzuziehen und aus deinem Hals einen Trichter, ihn auf ein ander Faß zu füllen, denn der Boden hätt einen Sparren zu wenig. – Potz Biltz: sprach der Hofmeister, da han wir einen Schwadronirer funden. Gott tröst euch, Herr Schwafler, denn euer Maul ist frisch genug.

Damit liefens in Eil hinunter, liessen den schweren Hebebaum den er ihnen aufgepackt, unter dem Treppengewölbe fallen. So! sprach Gargantua: Ey zum Teucker! was seyd ihr doch für schlechte Reiter! Euer Gaul geht euch zur Zeit der Noth durch. Wenn ihr von hie nach Cahusac müßtet, wollet ihr lieber ein Gänslein reiten oder die Sau am Seile führen? – Ich wollt lieber saufen, sprach der Furirer. – Und mit diesen Worten kamen sie in den untersten Saal zurück, wo die ganze Gemein beysammen war, erzählten da diese neue Mähr; da lachtens wie ein Rudel Fliegen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 46-48.
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